Wenn Bauherren, Unternehmer und Planende an einem Tisch sitzen

Text
Stephanie Pfiffner
Fotos
Mike Suter

Mit Design Build Switzerland (DBS) als Nachfolgeorganisation von The Branch hat sich im Mai 2024 ein Verein konstituiert, der das gleichnamige Projektabwicklungsmodell in der Schweiz weiter voranbringen und etablieren möchte – für effizientere und nachhaltigere Bauprojekte. Grosse institutionelle Bauherren engagieren sich.

Markus Mettler war der Mann der ersten Stunde. 2019 initiierte er zusammen mit einer Gruppe von Unternehmern, Planern und Lieferanten den Do-Tank The Branch. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, effizientere und nachhaltigere Zusammenarbeitsformen und Prozessmodelle für die Baubranche zu entwickeln und zu testen. Durch die Loslösung vom bekannten SIA-Phasenmodell und die konsequente Nutzung digitaler Werkzeuge sollten integralere, lebenszyklusorientierte Formen der Kooperation und neuartige Geschäfts- beziehungsweise Vertragsmodelle möglich werden. Der Vorstoss brachte Bewegung in die Branche. Viele Fachleute erkannten die Notwendigkeit eines effizienteren Abwicklungsmodells und traten dem Verein bei. Das Co-Präsidium besetzten noch im gleichen Jahr Peter Pfiffner (Pfiffner AG) und Dani Menard (Mepp AG).

In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden unterschiedliche bestehende Projektabwicklungsmodelle analysiert und neue entwickelt. Als das effizienteste und zielführendste Verfahren kristallisierte sich Design-Build heraus. Es handelt sich dabei um ein Modell, das aus den USA kommt, wo es seit 35 Jahren die dominierende Projektabwicklungsmethode ist. 43 Prozent aller Projekte in den Vereinigten Staaten werden mittels Design-Build umgesetzt. Schon früh standen die Verantwortlichen deshalb im engen Austausch mit Prof. Rick del Monte, dem Vorsitzenden des Design-Build Institute of America und Dozenten an der Clemson University in South Carolina. Sie profitierten von dessen grossem Erfahrungsschatz, den er über Jahrzehnte auch in der Praxis als Präsident von R&B Architecture Studio gesammelt hatte.

Design-Build als vielversprechende Alternative

Das in der Schweiz übliche Ausführungsmodell folgt dem Grundsatz von Design-Bid-Build. Es ist deshalb so gebräuchlich, weil es auf den vom SIA bereits vor Jahrzehnten eingeführten Phasen basiert. Diese trennen die Planung (Design), die Vergabe der Arbeiten (Bid) und die Ausführung (Build) strikt auf. Dadurch wird das enorme Know-how und die Innovationskraft der Unternehmer erst kurz vor der Ausführung ins Projekt miteinbezogen. In der Folge fehlen Daten und spezifische Informationen zu den konkreten Bauprozessen, -materialien und -produkten, was hinsichtlich der CO₂-Ziele und der Kreislauffähigkeit zwingende Voraussetzung ist.

Den vielversprechenden Lösungsansatz bietet das Modell Design-Build, bei dem sich die Design- und Konstruktionsphasen überlappen. Die Ausschreibungsphase entfällt bei den meisten Gewerken. Durch den frühzeitigen Einbezug der Unternehmer und Lieferanten können gemeinsam mit der Bauherrschaft und dem Planerteam die besten Lösungen bezüglich Projektzielen entwickelt werden. Das unternehmerische Engagement für die Einhaltung von Funktions-, Leistungs-, Qualitäts-, Kosten- und Nachhaltigkeitszielen nimmt zu, was dem Besteller eine viel frühere und verbindlichere Gewährleistung und Kostensicherheit bringt. Aus Sicht des Bestellers basiert Design-Build auf einem Totalunternehmervertrag, vergleichbar mit einem Gesamtleistermodell, bei dem zentrale Unternehmerlösungen bereits integriert sind.

The Branch verfeinerte dieses Modell und ergänzte es insbesondere in der Umsetzung mit Werkgruppen. Der Verein stellte Vorlagen und Hilfsmittel für die praktische Anwendung zur Verfügung, unter anderem auch für die Durchführung von Gesamtleister- oder Design-Build-Wettbewerben.

Am 14. März 2025 lud DBS zum «Beschaffungsrechtlichen Dialog» für die Anwendung des Design-Build- Modells in die Empa-Akademie in Dübendorf ein. Gastredner war Rick del Monte vom Design-Build Institute of America.
Teil des Programms in der Empa-Akademie war auch eine interaktive Podiumsdiskussion, an der unter anderen Hannes Pichler (Zweiter von links) und Markus Mettler (Mitte) teilnahmen.
Institutionelle Bauherren bringen sich ein

Bald nach der Gründung von The Branch konnten auch institutionelle Bauherren gewonnen werden, die ihre Erfahrungen und Interessen einbrachten. Einige haben mehrfach mit einschlägigem Erfolg Gesamtleistungsverfahren durchgeführt. Für sie ist klar, dass Design-Build das richtige Verfahren ist, um nicht nur einfache, sondern auch komplexere Projekte wirkungsvoller, kostengünstiger und nachhaltiger zu realisieren. Folgerichtig erklärten sie sich bereit, bei der strategischen Führung des Vereins und an der Weiterentwicklung des Modells mitzuwirken.

Entsprechend wurde The Branch an seiner Generalversammlung am 15. Mai 2024 in Design Build Switzerland (DBS) umbenannt. Gleichzeitig nahmen Hannes Pichler (ETH Immobilien), Martin Strub (UBS Sima Fonds) und Sennen Kauz (Swiss Life Asset Management) im Präsidium Einsitz. Mit dem entschiedenen Engagement der grössten Bauträger der Schweiz und der fokussierten Ausrichtung auf Design-Build wird klar, dass dieses Modell den Interessen der Bauherren weitaus am besten dient. Für Unternehmer, Planer und Lieferanten schafft es die Möglichkeit, dank ihrer Konzept- und Ausführungskompetenz sehr viel früher einbezogen zu werden und mit innovativen unternehmerischen Lösungen Win-win-Resultate herbeizuführen.

«Die produzierenden Firmen der Erne Gruppe setzen mittlerweile viele Design-Build-Projekte um. Insbesondere bei vorgefertigten Holz- und Hybridbauten spielen wir als technischer Entwickler eine wichtige Rolle, um die Planung in den Werkgruppen Rohbau, Haustechnik und Fassade frühzeitig zu optimieren. Dabei setzen wir auf unsere eigenen Bausysteme und passen sie projektspezifisch an. So entstehen Innovationen, die dem Bauherren sowie anderen Projektbeteiligten zugutekommen», sagt Daniel Erne, Präsident des Verwaltungsrats der Erne Gruppe und Vorstandsmitglied bei DBS.
Katharina Lehmann, CEO der Lehmann Gruppe, erklärt: «Wenn wir im Design-Build-Modell arbeiten, denken wir aus der Sicht des Bauherren und haben dabei stets die Produktions- und Montagefreundlichkeit im Blick. Der integrierte Ansatz ermöglicht es uns, in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zu optimalen Lösungen zu kommen, Bauzeiten zu verkürzen sowie Innovation gezielt voranzutreiben. So liefern wir unseren Kunden nachhaltige und hochwertige Lösungen aus einer Hand – mit klaren Verantwortlichkeiten und maximaler Projektsicherheit.»

Eine Plattform für den Erfahrungsaustausch

Zum Verein, der ursprünglich aus einer Erstellergruppe und dem Vorstand bestand, gehört nun auch das Bauherrenforum, bestehend aus den grössten institutionellen Bauherren der Schweiz. «Die Wahl des Projektabwicklungsmodells ist Sache des Bestellers. Das Bauherrenforum bietet Bestellern eine ideale Plattform zum Erfahrungsaustausch. Dadurch wird der innovative Design-Build-Ansatz in die Breite getragen», bestätigt Hannes Pichler, neuer strategischer Leiter von DBS.

Die Organisation dürfte die schweizerische Bau- und Immobilienbranche langfristig prägen. Grosse Chancen und Nachhaltigkeitspotenziale liegen insbesondere in der Tatsache, dass sich DBS einer zyklusorientierten Betrachtung verschrieben hat und der Kreislaufwirtschaft einen hohen Stellenwert beimisst. Design-Build wird sich sukzessive erweitern zu Design-Build-Operate und -Redevelop.

Es wäre zu hoffen, dass auch die öffentliche Hand bei anspruchsvollen Bauprojekten vermehrt die Design-Build-Methode anwendet; erstens, um Kostenüberschreitungen zu vermeiden, und zweitens, um ihrerseits den richtigen Impuls zu geben für die Etablierung eines zukunftsfähigen Projektabwicklungsmodells in der Bauindustrie. Die Verfahrenseffizienz und die Transparenz hinsichtlich Prozessen und Materialien würde es ihr ermöglichen, das Netto-null-Ziel noch wirkungsvoller zu verfolgen.

Die Grafik zeigt, wie bei Bauvorhaben durch das Projektabwicklungsmodell Design-Build in einem frühen Stadium Kostensicherheit erreicht wird – und zwar über alle Phasen der Planung hinweg.(Grafik: Design Build Switzerland)
Design Build Switzerland (DBS)

ist als unabhängiger und selbstverantwortlicher Verein organisiert. Er versteht sich als Organisation, die Anstösse und Ideen für neue Prozesse und Zusammenarbeitsmodelle von Mitgliederfirmen, Bildungsinstitutionen und anderen Verbänden aufnimmt, sie in der Praxis testet und einführt und die gewonnenen Erfahrungen mit seinen Mitgliedern teilt. DBS ist im Gegensatz zu einem Think-Tank, der neue Werkzeuge und Methoden sucht, strikt anwendungsorientiert. Der Verein steht allen natürlichen und juristischen Personen offen, die handeln und die schweizerische Bau- und Immobilienbranche weiterbringen wollen. Als Ergänzung zu den bestehenden Branchenverbänden strebt DBS eine Mitgliederstruktur an, welche die gesamte Wertschöpfungskette entlang des Immobilienlebenszyklus abdeckt.

design-build.ch

Dieser Artikel ist im Print-Magazin KOMPLEX 2025 erschienen. Sie können diese und weitere Ausgaben kostenlos hier bestellen.

Magazine bestellen

KOMPLEX bietet Ihnen spannende Einblicke in die neuesten Entwicklungen der Bau- und Immobilienwirtschaft. Themen wie Stadtentwicklung, Architektur, Engineering, Umwelt, Gesellschaft, Markt sowie digitales Planen und Bauen stehen dabei im Mittelpunkt. Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie quartalsweise die neusten Beiträge direkt in Ihr Postfach.

Jetzt digital mitlesen.