Ein Belvedere über dem Rheinfall

Mit zwei weithin sichtbaren Hochhäusern setzt das Rhyfall Village in Neuhausen ein markantes Zeichen. Seine Entwicklung vom ehemaligen Industriegebiet zum lebendigen Quartier schafft neue Freiräume, Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie und Wohnungen, von denen manche ungeahnte Ausblicke bieten.
Wer unterhalb des Schlosses Laufen durch die Gischt des Rheinfalls zur Schaffhauser Seite schaut, hat sie sofort im Blick: die zwei neuen Wohntürme des Rhyfall Village. Der östliche ragt sechzig, der westliche achtzig Meter in den Himmel. Die zwei Türme sind das weithin sichtbare Wahrzeichen für den Wandel des ehemaligen Alusuisse-Areals in Neuhausen, das zwischen der Klettgauerstrasse und der Bahnlinie Schaffhausen–Basel gut achtzig Meter oberhalb des Rheinfalls liegt. Die Entwicklung vom stillgelegten Industrieareal zum neuen Stadtquartier dauerte fast fünfzehn Jahre. Dort, wo heute gewohnt, gearbeitet, flaniert, gefeiert und eingekauft wird, produzierten Arbeiter ab 1888 erstmals in Europa den leichten Werkstoff Aluminium. Aus dem damaligen Unternehmen wurde später die Alusuisse, die ihre Produktion Mitte des 20. Jahrhunderts ins Wallis verlegte. Neuhausen diente fortan als Forschungsstandort. Im Jahr 2007 kaufte der international tätige Konkurrent Alcan den Schweizer Aluminiumproduzenten auf, der Betrieb in Neuhausen wurde eingestellt und das 25 000 Quadratmeter grosse Areal, zu dem diverse Büro- und Laborgebäude sowie eine 4000 Quadratmeter grosse Produktionshalle gehörten, vorerst zwischengenutzt. Die nach Süden orientierte Lage auf einem Plateau mit Blick auf den Rheinfall sowie der Bahnhof Neuhausen Bad direkt neben dem Areal mit regelmässigen Zugverbindungen nach Schaffhausen machten das Grundstück für Investoren interessant. Genauso wie die zum Zeitpunkt der Betriebsstilllegung schon geplante und heute realisierte Umfahrungsstrasse, die den Verkehr angrenzend an das Areal markant reduziert hat.
Halter Entwicklungen begann im Jahr 2011 im Auftrag der damaligen Besitzerin mit ersten Planungsschritten und übernahm 2017 mit der eigens gegründeten Belvedere Neuhausen AG das Areal. Doch die Umsetzung des Projekts sollte sich als zäh erweisen. Zwar konnte bereits 2011 ein zweistufiger Studienauftrag mit acht Architekturbüros durchgeführt werden, den das Studio Märkli aus Zürich gewann, bis die ersten Baumaschinen auffuhren, dauerte es aber weitere neun Jahre, und die Fertigstellung der Neubauten sowie der umgenutzten Werkhalle erfolgte erst Ende 2023.

Hochhäuser schaffen Freiraum
Was war geschehen? Zwei Jahre nach dem Studienauftrag hiessen die Neuhauser Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Umzonung des Areals in zwei Sonderzonen zwar knapp gut, aber die beiden geplanten Hochhäuser polarisierten und führten zu Einsprachen – sowohl gegen die Umzonung und den Quartierplan als auch gegen das darauf basierende Baugesuch. Der Widerstand beschäftigte mehrere Instanzen, weshalb die Baufreigabe erst 2019 erfolgte. Doch der lange Atem hat sich gelohnt: Aus dem Werkgelände ist ein urbanes und attraktives Quartier geworden. Prägende Elemente sind die ehemalige Industriehalle, in der Restaurants, Geschäfte, eine Migros-Filiale, ein Denner und eine Eventhalle Platz gefunden haben, sowie die beiden Wohnhochhäuser. Sie bilden das Schlüsselelement für die städtebauliche Lösung des Rhyfall Village. Architekt Peter Märkli setzte in seinem siegreichen Studienprojekt im Gegensatz zu anderen Büros bewusst auf das Bauen in die Höhe. Dadurch konnte er die historische Produktionshalle komplett erhalten und Aussenräume freispielen, denn die Hochhäuser nehmen einen Grossteil der realisierbaren Geschossfläche von 38 500 Quadratmetern auf. Die so gewonnenen Freiflächen umfassen unter anderem einen Platz am nordwestlichen Ende der Halle und Grünräume auf dem Dach des lang gezogenen Sockelbaus. Dieser schliesst das Areal zur Bahnlinie ab und schafft gleichzeitig eine begrünte Aussichtsterrasse zum Rhein hin – ein klassisches Belvedere. Alle Aussenräume sind öffentlich zugänglich und werten das gesamte umgebende Quartier auf. Aufgrund der zum Teil beträchtlichen Höhenunterschiede zwischen der im Norden vorbeiführenden Klettgauerstrasse, dem Platzniveau und der Belvedere-Terrasse sind die Freiräume mit mehreren Treppen und Liften verbunden.




Drei Häuser mit 280 Wohnungen
Die Um- und Neunutzung des Areals wurde planungstechnisch in zwei Bereiche unterteilt: Die zur Weiternutzung vorgesehenen Bestandesbauten «Im RhyTech» entlang der Klettgauerstrasse gehören zur Sonderzone B. Ihre Sanierung und Umwidmung wurde Anfang 2025 abgeschlossen. In der Sonderzone A liegen die historische Produktionshalle sowie drei Neubauten. Diese Zone ist seit 2024 bezogen und wurde mit einem Mehrfamilienhaus und den beiden Hochhäusern samt Sockelgeschoss bebaut. Das v-förmige Mehrfamilienhaus RhyGarten steht an der Nordwestecke des Rhyfall Village und bietet auf acht Geschossen Platz für 68 Eigentumswohnungen. Das Gebäude entstand in konventioneller Massivbauweise mit weiss verputzten Fassaden. Die beiden Hochhäuser stehen am südlichen Arealrand direkt neben der Bahnlinie auf dem Sockelgeschoss, in dem die Eingangsbereiche, Gewerberäume und ein Teil der Parkgarage untergebracht sind. Beide Türme erscheinen von aussen trotz unterschiedlicher Höhe fast identisch. Dafür unterscheiden sie sich aber bezüglich ihrer inneren Aufteilung und Nutzung. Das niedrigere Hochhaus mit 17 Geschossen wurde vor Baubeginn von der Helvetia-Versicherung gekauft und beherbergt 116 Mietwohnungen sowie das Restaurant Rivi Skyfall. Der Grundriss ist flächenökonomisch als Siebenspänner organisiert mit Wohnungen von 1,5 bis 5,5 Zimmern. Die kleinen Wohneinheiten sind auf eine temporäre Nutzung ausgelegt und mit dem System MOVEment ausgestattet, das Möbel per Knopfdruck verschieben kann.
Das 24 Geschosse hohe Nachbargebäude beherbergt 96 Eigentumswohnungen. Hier sind pro Stockwerk nur vier Wohnungen mit Grössen zwischen 3,5 und 5,5 Zimmern angeordnet. In beiden Wohntürmen verfügen die grösseren Wohnungen über unbeheizte und mit Faltschiebefenstern ausgestattete Loggien. Diese bieten einen wärmegedämmten und windgeschützten Aussenraum, der vielfältig genutzt werden kann und sich in den höher gelegenen, nach Süden ausgerichteten Einheiten als ganz privater Aussichtspunkt hoch über dem Rheinfall entpuppt.





Reminiszenz an die Aluproduktion
Konstruktiv sind beide Hochhäuser identisch: Betonstützen an den Fassaden sowie der aussteifende Erschliessungskern tragen die Decken. Der Grossteil der inneren Trennwände ist nicht tragend, vorgefertigte Betonbrüstungen schliessen die Räume gegen die Fassade hin ab. Deren bandförmige Gestaltung mit Betonung der Horizontalen lässt die Gebäude optisch weniger hoch erscheinen. Um diesen Eindruck zu unterstützen, sind die Brüstungsbereiche mit schuppenförmig verlegten schwarzen Alucobondplatten verkleidet. Diese Flächen wurden nicht komplett vertikal angeordnet, sondern leicht schräg nach aussen gestellt, was dem Fassadenbild zusätzlich Struktur verleiht. Die schwarzen Brüstungsbänder kontrastieren mit den naturfarben eloxierten Fensterbändern. Sie erhalten ihre Struktur durch den Wechsel unterschiedlicher Fensterformate: schmale, zu öffnende Flügel und breite, fest stehende Fenster.
Im Ursprungsentwurf von Peter Märkli war die dunkle Schuppenverkleidung in Faserzement vorgesehen. Im Verlauf der Planung erfolgte ein Wechsel zu vorgehängten Aluminiumplatten – so wird die Geschichte dieses leichten Metalls, dessen europäische Wiege sich auf dem Rhyfall Village befindet, auch hier weiter fortgeschrieben.



Rivi Skyfall Restaurant & Bar ...
... steht seit Juni 2024 für ein völlig neues Gastronomie-Erlebnis in Neuhausen. Die Location liegt in der 17. Etage des niedrigeren Turms der beiden Wohnhochhäuser im Rhyfall Village und bietet durch bodentiefe Faltschiebefenster einen atemberaubenden Blick auf den Rheinfall. Weil keine Brüstung die Sicht verstellt, ist der Gänsehaut-Effekt garantiert. Der Innenausbau und die Einrichtung wurden von der Integral design-build AG, einem Unternehmen der Halter Gruppe, konzipiert. Besonderes Highlight ist die Theke mit grünen italienischen Fliesen und hängenden Regalen aus brüniertem Messing, die sowohl das Restaurant als auch die Bar bedient. In der Küche mit Sichtfenster zum Gastraum werden regionale Zutaten mit Sorgfalt und mit Liebe für natürliche Qualität und echte Aromen verarbeitet. 136 Meter
über dem Rheinfall ist das Rivi Skyfall eine der höchsten Event-Locations im Kanton Schaffhausen.
rivi-skyfall.ch
rhyfall-village.ch
Zur Fotogalerie
Maurer, Gerüstbauer, Eisenleger, Gipser, Abdichter, Maler, Schreiner, Lüftungsmonteure - die Menschen, die Mit ihrer Hände Arbeit das Rhyfall Village entstehen liessen, fotografiert von Philip Böni.