Das digitale Sackmesser für die Elektrobranche
Siresca hat ein vielseitiges Werkzeug entwickelt, das die Arbeit des Elektroinstallateurs massgeblich erleichtert. Mittels Augmented Reality werden präzise Kontrollen und Dokumentationen möglich. Schnittstellen zu anderen Bauplattformen sollen Datentransparenz schaffen – für mehr Effizienz und Genauigkeit auf der Baustelle.
Vielleicht geschieht die viel geforderte Digitalisierung beim Bau ganz anders, als sie von Bundesämtern, Verbänden und Forschungsinstituten vorangetrieben wird. Diese Vordenker fokussieren auf die Etablierung ganzer Ökosysteme interoperabler Datenplattformen für Grossprojekte. Es gelangen aber auch digitale Hilfsmittel auf die Baustelle, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ganz konkrete Probleme zu lösen. Diesen Ansatz verfolgt das Start-up Siresca AG. Das Unternehmen hat vor bald drei Jahren die gleichnamige durch Augmented Reality (AR) unterstützte App für die Vereinfachung von Elektroinstallationen auf den Markt gebracht. Julien Reutimann, CEO von Siresca, weiss als Elektroinstallateur EFZ, wie mit nicht digitalen Arbeitsmitteln Elektroinstallationen montiert werden und wo die Schwachstellen liegen: «Wir haben heute noch zu viele manuelle Arbeitsschritte mit hohem Fehlerpotenzial. Mit unserer App mit AR-Funktion können wir durch den gezielten Einsatz innovativer Technologien unter anderem dazu beitragen, gängige Fehler zu vermeiden. Wir wollen mit dieser neuartigen Applikation den Arbeitsprozess revolutionieren und den Kunden einen Mehrwert bieten, wenn sie digital arbeiten. Dabei geht es um Effizienzsteigerung und nicht um digitale Spielerei.»
Dass es nicht immer eine neue Anwendung sein muss, um ein bestehendes Problem zu lösen, zeigt die in die App integrierte und von vielen Kunden geschätzte Vermessungsfunktion. Damit ist es nicht mehr notwendig, bei fehlenden Vermassungslinien den Plan von Hand auszumessen und in den Massstab 1:1 umzuwandeln. «Fehlende Vermassungslinien sind eine der Hauptursachen für falsch positionierte Betoneinlagen», weiss Julien Reutimann.
Wir wollen mit dieser neuartigen Applikation den Arbeitsprozess revolutionieren und den Kunden einen Mehrwert bieten, wenn sie digital arbeiten.Julian Reutimann
Abgleich von Plan und Realität
Das Kernstück der App ist ihre AR-Funktion. Durch die Auswahl eines Referenzpunktes in einem spezifischen Plan startet automatisch der Kameramodus; via Ziehen und Verschieben auf dem Smartphone-Bildschirm kann der Plan nun exakt an einem Angelpunkt fixiert und mit der realen Umgebung abgeglichen werden. Durch einfaches Rotieren wird der Plan so ins Sichtfeld gekippt, dass sinnvolles Arbeiten möglich ist.
Die AR-Funktion bietet zahlreiche Anwendungen, die den Arbeitsalltag auf der Baustelle erheblich erleichtern. Zum Beispiel die Option zur vereinfachten Stichprobenkontrolle: Gerade am Ende eines Montageauftrags, wenn unter Zeitdruck Fehler passieren können, ermöglicht diese Funktion eine schnelle und präzise Überprüfung. Falsch positionierte Objekte wie Dübel oder Abzweigdosen werden dabei im Handumdrehen erkannt und die Kosten für die Fehlerbehebung reduziert. Ein weiterer Vorteil ist die stetig verbesserte Genauigkeit der Technologie, die es mittlerweile erlaubt, Betoneinlagen direkt mit Augmented Reality anzuzeichnen. Um dies erfolgreich durchzuführen, ist es entscheidend, die Empfehlungen für das Gerät und die Umgebungsbedingungen zu beachten. Ausserdem sollten genügend Referenzpunkte an der Deckenschalung vorhanden sein, um den Plan während des Einmessens nachjustieren zu können. Ist dies gewährleistet, eignet sich das direkte Anzeichnen über AR zum Beispiel für klassische Mehrfamilienhäuser in Massivbauweise.

Ein digitales Werkzeug überzeugt die Nutzenden noch mehr, wenn die betriebliche Organisation darin abgebildet wird. Zur Gründlichkeit der Schweizer Eigenentwicklung gehört darum auch, dass die Webanwendung «Siresca Admin» den Ordnungsrahmen schafft, in dem die App optimal funktioniert. Mit «Siresca Admin» können Projekte erstellt, Pläne im PDF-Format hochgeladen, der Arbeitsfortschritt dokumentiert und Mitarbeitende disponiert werden. Ein digitaler Baustellenordner, der alle Projekte mit Stockwerkstruktur in einer Liste abbildet, schafft Übersicht.
Und der findige Unternehmer des Start-ups denkt schon weiter: «Mit Siresca haben wir eine Software geschaffen, um Installateure nahtlos in den digitalen Bauprozess einzubinden und parallel wertvolle Ist-Daten direkt von der Baustelle zurück ins Datenmodell zu überführen. Dadurch profitieren die planende und die ausführende Seite gleichermassen. Wir sehen uns aber nicht als isolierte Plattform in der digitalen Welt des Bauens, sondern als komplementäre Lösung. Daher legen wir besonderen Wert darauf, Schnittstellen zu relevanten Bauplattformen zu entwickeln und den Austausch zwischen den Systemen zu fördern.»
Mit Siresca haben wir eine Software geschaffen, um Installateure nahtlos in den digitalen Bauprozess einzubinden.Julien Reutimann
Neues Werkzeug, angepasste Arbeitsweise
Die Siresca-App verändert auch die Art, wie Elektroinstallateure auf der Baustelle agieren, und sorgt so für eine neue Form der Nutzung von Bauplänen. Julien Reutimann erklärt: «Wir Entwickler waren zu Beginn auch skeptisch: Wie bringt man grosse Baupläne auf die kleine Oberfläche eines Smartphones? Es stellte sich aber heraus, dass Monteure sich immer nur auf einen Teil des Raums konzentrieren, ohne die Position zu verändern. Früher lag der Plan in der Mitte eines Raums; alle Mitarbeitenden kehrten regelmässig wie ein Bienenschwarm fürs Messen und Auslesen dorthin zurück. Mit Siresca arbeitet nun jeder mit seinem relevanten Ausschnitt.» Etwas Gewöhnungszeit brauche es dennoch, um von einer traditionellen Arbeitsweise zu einem digital gestützten Ablauf zu wechseln. Damit ohne Einschränkungen gearbeitet werden kann, benötigt die AR-Funktion eine minimale Beleuchtungsstärke von 1000 Lux. Die Applikation ist aber auch offline nutzbar, was zum Beispiel dann hilfreich sein kann, wenn Montageteams in Untergeschossen auf ihre Dateien zugreifen möchten.

Optimal auf die Nutzer abgestimmt
Um ein digitales Produkt zur Marktreife zu bringen und gezielt nutzerorientiert weiterzuentwickeln, setzt Siresca auf das Prinzip des «design thinking». Dabei werden die Bedürfnisse der Anwender mit den technologischen Möglichkeiten und der Geschäftsstrategie des Start-ups in Einklang gebracht. Der Prozess folgt klar definierten Schritten: Zuerst wird ein gemeinsames Verständnis für das Projekt geschaffen, dann folgt die genaue Analyse der Kundenbedürfnisse; im Anschluss werden in kreativen Brainstorming-Sitzungen mögliche Lösungsansätze erarbeitet. Darauf basierend entsteht ein Testmodell. Dazu sagt Julien Reutimann: «Wir haben alles in der Schweiz entwickelt und die Prototypen potenziellen Kunden aus dem Elektrohandwerk präsentiert. Die Rückmeldungen flossen direkt in die Weiterentwicklung der Anwendung ein. So stellen wir sicher, dass unsere Tools optimal auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt sind.»
Die App hat bereits viele Kunden in der Elektrobranche gewonnen und überzeugt durch ihre Erweiterungsfähigkeit. Siresca plant, die Applikation um ein Revisionswerkzeug zu ergänzen – eine ideale Lösung für Neu- und Umbauprojekte in Bestandsbauten. Mit dieser Funktion können Änderungen wie anders geführte Leitungen oder verschobene Steckdosen direkt im Grundriss über die App eingetragen und dokumentiert werden. Das strategische Ziel von Siresca reicht jedoch noch weiter: Die App soll zukünftig auch in anderen Gewerken am Bau eingesetzt werden. Fachleute aus verschiedenen Bereichen haben ihr Interesse angemeldet. Bald kann die Applikation ihre Vielseitigkeit also erneut unter Beweis stellen – ganz wie ein Schweizer Sackmesser eben.




