Auf den Spuren von James Bond
Am Bollwerk, direkt beim Berner Bahnhof, renoviert Halter nach Plänen von RBA Architekten derzeit ein geschichtsträchtiges Altstadthaus. Entstanden am Übergang zwischen Historismus und Moderne, enthält es Gestaltungselemente beider Epochen. Auch Hinweise auf die ursprüngliche Bauherrschaft sind zu finden.

Nach einem Regenguss ist die Strasse nass, hinter der die Heiliggeistkirche in die Höhe ragt. Männer und Frauen in Mänteln drängen auf dem Trottoir aneinander vorbei. Ein gross gewachsener Herr in hellem Anzug steuert zwischen der Apotheke und dem Café Brésil auf den Eingang eines steinernen Geschäftshauses zu, um der Anwaltskanzlei der Gebrüder Gumbold einen Besuch abzustatten – die Szene stammt aus dem 1969 erschienenen James-Bond-Film «Im Geheimdienst Ihrer Majestät». Während die Anwaltskanzlei, die 007 aufsuchte, fiktiv war, existiert die Bollwerk-Apotheke noch heute. Das legendäre Café, zuletzt als Brésil Bar bekannt, musste hingegen im Sommer 2024 aufgrund der bevorstehenden Renovationsarbeiten schliessen.

Substanzerhalt innen wie aussen
Als Filmkulisse würde sich das stattliche Eckhaus – im Volksmund Genferhaus genannt – gegenüber dem Berner Bahnhof derzeit allerdings nicht eignen: Die Sandsteinfassade verbirgt sich hinter einem petrolfarbenen, halbtransparenten Schutznetz, das markante Walmdach ist ebenfalls verhüllt. 1923 durch die Architekten Zeerleder & von Ernst erstellt, wird das Gebäude, das sich heute im Besitz von PSP Swiss Property befindet, gerade umfassend saniert. Anders als im James-Bond-Film dargestellt, trägt es die Adresse Bollwerk 15 und gehört zu einer Häuserzeile, die den westlichen Abschluss der Altstadt bildet und zum Perimeter zählt, der 1983 zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt wurde. Darum erfolgt die Renovation durch die Halter AG als Totalunternehmerin in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege, die innen wie aussen das Ziel des Substanzerhalts verfolgt.

Am Übergang zweier Epochen entstanden, kommt dem Haus heute eine besondere Bedeutung zu: «Grundsätzlich ist sein Ausdruck noch dem Historismus zuzurechnen, doch es finden sich auch Elemente einer modernen, geradlinigeren Formensprache», erklärt Roman Arnold von RBA Architekten, die mit der Planung beauftragt sind. Hinsichtlich der Bautechnik galt das Gebäude damals als äusserst modern: Es wurde mit einem Lift ausgestattet und verfügt über Hourdisdecken, geformt aus Stahlbetonrippen und eingehängten Tonhohlelementen. Die Rundbogenfenster im Erdgeschoss waren bereits vor hundert Jahren grossflächig verglast.
Während die neoklassizistische Fassade auf einem klaren Regelwerk basiert, das im Rahmen der Renovation fortgeführt wird, präsentierte sich die Ausgangslage im Innern komplexer. «Wir trafen auf unterschiedliche Mieterausbauten, die alle zu einer anderen Zeit entstanden sind und die bestehende Substanz wenig respektierten», so Arnold. «Abhängig vom jeweiligen Zustand der Räume und deren Funktion haben wir in Absprache mit der Denkmalpflege verschiedene Eingriffstiefen definiert.»
Abhängig vom jeweiligen Zustand der Räume und deren Funktion haben wir in Absprache mit der Denkmalpflege verschiedene Eingriffstiefen definiert.Roman Arnold, RBA Architekten
Besonders gut erhalten ist das repräsentative Treppenhaus, das vom ovalen Ankunftsraum im Erdgeschoss bis unters Dach führt. Schwarzer Marmor rahmt den Zugang zur Treppe und fasst die Stufen aus dunkelgrauem Granit. Über dem Treppengeländer liegt ein Handlauf aus Messing. Alle Originalbauteile im Haus sind hochwertig, zudem lässt sich vielerorts die ursprüngliche Bauherrschaft ablesen: In der Mitte der Stahlkreuze des Geländers etwa finden sich kleine Embleme, darunter Schlüssel, Adler und Krone des Genfer Wappens – ein Hinweis auf die Genfer Lebensversicherungsgesellschaft La Genevoise, die das Haus erstellen liess.
Nahe am Original werden sich dereinst auch die grosszügigen Korridore präsentieren. Sie liegen in der Gebäudemitte zwischen dem öffentlichen Treppenhaus und den privateren Büros, die sich den beiden Strassenräumen zuwenden. Die Korridore erschliessen auch die Nebennutzungen, die das Treppenhaus flankieren. Auf der einen Seite entsteht jeweils eine Teeküche, auf der anderen befinden sich die WC-Anlagen. Diese zum Hinterhof orientierten Räume enthielten keine historische Bausubstanz und können deshalb vollständig neu ausgebaut und mit der notwendigen Technik versehen werden.


Sondernutzung unter dem Dach
Tiefe Eingriffe erfährt zudem der Dachraum. Da die undichte Dachkonstruktion Wasserschäden verursacht hat, wird sie teilweise ersetzt, allerdings ohne ihr Erscheinungsbild wesentlich zu verändern: Die Biberschwanzziegel kehren wieder an ihren alten Platz zurück, die Lukarnen erhalten neue Kupferdächer und Schindelverkleidungen. Im Gegensatz zu anderen Geschäftshäusern in der Berner Altstadt werden die Dachgeschosse des Genferhauses nicht mehr bewohnt. Bereits vor rund 45 Jahren wurden sie in ein Bürogeschoss mit darüberliegenden Konferenzräumen umgebaut – ein Entscheid, der nicht rückgängig gemacht wird. Die beiden Ebenen sind über eine neue Holztreppe miteinander verbunden und bilden eine Mieteinheit, während die übrigen vier Etagen geschossweise vermietet werden.
Als Orientierungspunkt für die Gestaltung der Büroflächen diente den Architekturschaffenden das vierte Obergeschoss, das am besten erhalten war. Dort finden sich vielerorts noch Randfriese oder Stuckrosetten an den weissen Decken. Besonders prägnant sind die zweigeteilten, hölzernen Wandschränke, die nach dem Umbau eine neue Funktion bekommen: Sie werden punktuell mit Verbundlüftern ausgestattet, die die zentral geleitete Luft aus den Korridoren in die Büroräumlichkeiten einblasen und wieder abziehen.



Farben und Signaletik als Bindeglied
Im vierten Obergeschoss trifft man auch auf die Arbeit des Restaurators, der vor Baubeginn die alten Material- und Farbschichten freilegte. Im Korridor kam eine in blassen Grün- und Gelbnuancen gestreifte Tapete zum Vorschein. Im Handdruckverfahren reproduziert, wird sie künftig wieder präsent sein. Dieselben Farbtöne sollen auch an anderen Stellen auftreten, zum Beispiel in den Teeküchen und WC-Anlagen. Roman Arnold erläutert deren besondere Rolle: «Die Farbgebung wird zum verbindenden Element, wobei die neu gestalteten Räume kräftigere Töne aufweisen als die restaurierten Büros und Korridore.»
Auch Wort und Schrift erinnern an die Entstehungszeit: Die Architekturschaffenden trafen im Haus auf eine zweisprachige Signaletik und beschlossen, diese fortzuführen. Für die Beschriftung der Räume und Geschosse haben sie französische Bezeichnungen gewählt, die auch in der Deutschschweiz geläufig sind: «Toilettes», «Technique» oder «Privé» steht in Zukunft an den Türen. Mit einer serifenlosen Schrift aus den 1920er-Jahren greifen sie den Zeitgeist der Moderne auf, der einst auch die Beschriftung der grossen Schaufenster im Erdgeschoss prägte.


Im Gegensatz dazu weist der Schriftzug, der ins steinerne Kranzgesims des Geschäftshauses gemeisselt wurde, noch Serifen auf. Dieser prominente Hinweis auf die ursprüngliche Bauherrschaft wird auch in Zukunft zu lesen sein – doch dazu müssen erst die temporären Hüllen des Gebäudes fallen. Die Arbeiten, die derzeit vorgenommen werden, lassen keine Zweifel daran, dass sich das Genferhaus bald wieder filmreif präsentieren wird: Als einziges Ladenlokal hat die Apotheke dessen Geschichte von Anfang an mitgeprägt und ist auch nach über hundert Jahren am selben Ort anzutreffen. Anstelle der Brésil Bar und einer kleinen Pizzeria werden im Herbst 2025 zwei Take-away-Betriebe eröffnet. Offen ist noch, wer in die Büros in den Obergeschossen einziehen wird – und damit auch, ob sich unter den Mietparteien wieder eine Anwaltskanzlei für James Bond befinden wird.