«Wir wollen eine gute Bestellung abgeben, aber auch ein kompetenter Partner für Architekten sein»
Seit April 2024 leitet Christof Glaus das neue Kompetenz-Center «Städtebau und Architektur» der Halter AG. Hier sichert der renommierte ETH-Architekt mit seiner langjährigen Expertise die gestalterische Qualität von Projekten und profitiert gleichzeitig vom internen Know-how der gesamten Gruppe.
Treffpunkt Parkplatz Hurdnerwäldli in Pfäffikon in der Gemeinde Freienbach, direkt neben den vier rostigen Silos, die den Blick auf die Bootsanlegeplätze verstellen. Auf der anderen Strassenseite liegt ein Areal, das Christof Glaus gut kennt. Hier soll in den nächsten Jahren ein neuer Bürokomplex entstehen. Er hat ihn zusammen mit seinem Team bei der Halter AG entworfen. Wir wollen mehr wissen und befragen den Architekten auf einem Spaziergang über die Halbinsel Hurden am Zürichsee.
Sie waren dreissig Jahre lang Partner im Architekturbüro Stücheli in Zürich. Warum sind Sie nun bei Halter?
Es gibt viele Gründe. Einerseits interessierte mich die Aufgabe, andererseits fühlte ich mich noch frisch genug, um eine neue Herausforderung anzunehmen. Ich wollte raus aus dem Gefäss der reinen Architektur. Zudem finde ich die Strategie, die Halter verfolgt, sehr spannend.
Warum braucht Halter eine eigene Abteilung für Städtebau und Architektur, wo es doch so viele Architekturbüros gibt in der Schweiz?
Ich glaube, es ist der logische Schritt für einen Gesamtleister. Wenn Entwicklung, Planung und Ausführung im gleichen Unternehmen stattfinden, muss die Kompetenz einfach vorhanden sein. Es geht nicht ohne Städtebau und Architektur, die am Anfang eines Prozesses die Weichen stellen. Wir wollen orts- und programmbezogene Studien machen, die uns dann bei Ausschreibungen und Studienaufträgen helfen. Nur so können wir eine gute Bestellung aufgeben und auch ein kompetenter Partner für die Architekten nach aussen sein.
Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?
Wir machen eine Art Qualitätsmanagement. Wir sind die Schnittstelle und eben auch das architektonische Gewissen von Halter. Es gab Projekte, die haben wir gemeinsam mit den Architekten entwickelt. Das ist dann ein Diskurs unter Fachleuten. Oder ich vertrete das Projekt beim Baukollegium und erkläre die ästhetischen Leitlinien; was in einigen Fällen sehr gut funktioniert hat, etwa beim Seetalplatz in Emmen oder beim Aebiareal in Burgdorf.
Können Sie mit Ihrer Arbeit die Qualität der Projekte verbessern?
Das ist mein Anliegen, und es muss auch das Anliegen von Halter sein. Die zwei genannten Projekte sind jetzt bewilligt oder stehen kurz davor. Wir konnten also auch die Behörden überzeugen.

Wie reagieren die Architekten?
Natürlich braucht es ein Einverständnis von ihrer Seite. Die Hilfe, die wir bieten, muss angenommen werden. Oft waren die Projekte schon auf einem hohen Niveau, und trotzdem gab es Bedenken in den Gremien. Dann geht es um die Feinjustierung und hie und da auch um die richtige Kommunikation. Es hilft, wenn man die gleiche Sprache spricht und jahrelange Erfahrung hat.
Welche Bedeutung spielt neben der Architektur der Städtebau?
Weil Architektur immer öffentlich ist, ist der Städtebau so wichtig. Insbesondere im Hinblick auf die Thematik der Verdichtung. Wir müssen öffentliche Räume schaffen – auch in den Gebäuden – und diese dann richtig programmieren. Es genügt nicht mehr, das rechnerisch Mögliche zu realisieren. Wir brauchen eine Vision und eine Geschichte, die auf einen Ort reagiert. Mit den richtigen Hierarchien sind mit einer funktionalen, gut begründeten Ausschreibung sehr vielfältige Lösungen machbar.
Welche Möglichkeiten haben Sie noch, um einen guten Städtebau abzusichern?
Wir arbeiten bei Arealüberbauungen gern mit Gestaltungsplänen. Sie geben uns eine grössere Freiheit, und wir können ein Plus für den öffentlichen Raum und die städtebauliche Qualität schaffen. Ich glaube auch, dass wir gegen die herrschende Bürokratie und die sehr universellen und monofunktionalen Bauordnungen ankämpfen müssen – sie führen zum reinen Abfüllen. Genau aus diesem Grund gibt es ja Bestrebungen wie das Manifest URBANISTICA, das für einen besseren Städtebau in der Schweiz eintritt.
Ich glaube auch, dass wir gegen die herrschende Bürokratie und die sehr universellen und monofunktionalen Bauordnungen ankämpfen müssen – sie führen zum reinen Abfüllen.
Bleibt bei all dem überhaupt noch Platz für Kreativität?
Natürlich. Ich bin hier, weil ich für mein Leben gern erfinde. Ich liebe es, neue Situationen zu schaffen – allein mit meinem Team oder auch mit Fachingenieuren. Ich hasse es, wenn jemand sagt: «Das haben wir immer so gemacht.» Dann machen wir es jetzt doch mal anders! Das treibt mich an. So entsteht Innovation.
Dann stellt Design-Build, das neue Zusammenarbeitsmodell, das Halter gerade etabliert, für Sie keine Einschränkung dar?
Ich sehe den Beruf des Architekten überhaupt nicht gefährdet. Ich denke nach wie vor, dass die sehr generelle umfassende Ausbildung, die wir geniessen, grosse Vorteile bringt. Das ist auch mein Fazit aus dem Werkgruppen-Wettbewerb für die Aufstockung des Lagerhauses auf dem Attisholz-Areal bei Solothurn, den wir in meiner Zeit bei Stücheli Architekten gewinnen konnten. Dabei habe ich das Design-Build-Modell als Inspiration erfahren, mit welchem sich ein hoher Grad an Freiheit erreichen lässt.
Wie wird Design-Build die Baubranche verändern?
Sie wird effizienter, nachhaltiger und intelligenter. Wenn wir heute sehen, wie die Holzbauer vorfabrizierte Elemente konstruieren, erkennen wir, dass wir das nicht mehr selbst machen können. Wir müssen diese Technologien erklärt bekommen. Erst dann entstehen die besten Lösungen. Mit Design-Build erhalten wir die Chance, in einem sehr frühen Stadium die richtigen Entscheidungen zu treffen, die dann Bestand haben. Und wenn das übergeordnete Konzept stimmt, bleibt auch die Stärke der Architektur bestehen. Es gibt nicht mehr diese Umwege, wo aus Kostengründen eine nicht zu akzeptierende Unternehmerlösung erstellt wird, an der wir nie beteiligt waren. Stattdessen gewinnen wir mehr Zeit für eine hochstehende, detailliertere Gestaltung.
Mit Design-Build erhalten wir die Chance, in einem sehr frühen Stadium die richtigen Entscheidungen zu treffen, die dann Bestand haben. Und wenn das übergeordnete Konzept stimmt, bleibt auch die Stärke der Architektur bestehen.
Versteht man sich also mehr als Partner denn als Auftraggeber und Ausführender?
Das ist das Ziel und die Voraussetzung für Design-Build. Wenn die besten Leute an einem Tisch sitzen, hat man nicht nur einen zeitlichen Vorteil, sondern auch finanziell einen Gewinn. Ein weiteres Beispiel ist das Problem der Lärmbelastung. Es macht doch einfach Sinn, schon sehr früh einen Akustiker an Bord zu haben, der dir sagt, wo und wie Wohnungen möglich sind. Dasselbe gilt für die Haustechnik. Wenn wir Bürobauten planen, die wirklich energieeffizient sein sollen, dann braucht es schon in einer frühen Phase gute Haustechnikplaner.
Liegt denn das Identifizieren von Problemen weiterhin beim Architekten?
Nicht nur, aber es ist ein sehr wichtiger Teil seiner Arbeit. Architektur ist immer ein Ganzes, das aus vielen Einzelteilen besteht. Auch und vor allem bei digitalen Prozessen müssen Entscheidungen gefällt werden, die auf menschlicher Erfahrung basieren. Das ist des Architekten Aufgabe.
Apropos Bürobau. Eines Ihrer prägnantesten Projekte entsteht hier in Freienbach im Hurdnerwädli.
Ja, ein Bürokomplex direkt am Hafen von Hurden, den wir von Anfang an selbst entwickelt haben. Es ging darum, den zukünftigen Generalmieter, der verschiedene Standorte zur Auswahl hatte, von der einmaligen Lage zu überzeugen – trotz den vier hohen Silos auf der anderen Strassenseite. Ein weiteres interessantes Projekt ist der BirsTower neben dem St.-Jakob-Stadion in Basel. Hier konnten wir uns in einem Wettbewerb gegen die Konkurrenz durchsetzen. Das Hochhaus, das nun entsteht, ist städtebaulich extrem relevant. Ein Merkmal dieses Entwurfs ist auch, dass wir eine Halle, die eigentlich für den Abbruch bestimmt war, erhalten und sogar darauf aufbauen.
Wie oft müssen Sie über Erhalt oder Abriss und Neubau befinden?
Immer öfter. Wir prüfen jedes Projekt und stellen auch in jeder Jury die Frage, was von einem Gebäude oder Areal bleiben könnte. Ich glaube, es geht heute wirklich um einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen und bestehender Substanz.


Sie haben von vorfabrizierten Elementen gesprochen. Besteht die Chance, dass sich Modulbauweisen etablieren?
Ich glaube schon. Effizienz und Vorfertigung sind Mittel, um die hohen Baukosten zu senken und damit auch der Wohnungsnot zu begegnen. Dass ich das so sehe, hat auch mit meinem Werdegang zu tun. Wir waren bei Stücheli mit relativ grossen Bauaufgaben immer GU-freundlich. Wir haben nicht die Ikonen gebaut, sondern sehr hochwertige Standardware, wie sie eine Stadt eben auch braucht. Darum bin ich offen gegenüber Lösungen, die Schönheit durch Repetition gewinnen. Wenn man Material spart, dient das der Nachhaltigkeit – auch eine Aufgabe, der wir uns verstärkt widmen müssen.
Ist denn die Kreislaufwirtschaft bereits heute möglich?
Wir stehen noch am Anfang. Wenn ein Gebäude jedoch eine ordentliche Struktur hat und sich im städtebaulichen Kontext behauptet, kann es flexibel genutzt werden und ist schon damit nachhaltig. Wird ein Projekt dann noch als digitaler Zwilling mit Materialattributen dargestellt, sind wir von der Kreislaufwirtschaft gar nicht mehr so weit entfernt. Bei einem Umbau oder Abbruch können einzelne Teile oder Komponenten wiederverwendet werden.
Wie lange sollte ein Gebäude Bestand haben?
Wir gehen von fünfzig Jahren und mehr aus. Aber ich habe bei Stücheli erlebt, dass Gebäude viel früher abgebrochen oder massiv umgestaltet wurden. Etwa das von uns für die Credit Suisse entworfene Bürogebäude D des Uetlihofs, das wir schon zwanzig Jahre später mit dem Uetlihof 2 überbaut haben. Das ist sicher nicht das Ziel eines Architekten. Viel lieber sehen wir, wenn Gebäude lange Bestand haben oder auch verschiedene Nutzungsperioden durchlaufen. Das geht aber nur dann, wenn ein Haus grosszügig, weil strukturiert geplant wurde.
Auf welches Ihrer Gebäude sind Sie besonders stolz?
Es gibt einige. Das beginnt bei kleineren Projekten wie dem Bürohaus für die Pfiffner AG an der Farbhofstrasse in Zürich-Altstetten und reicht über Umbauten, zum Beispiel das Ambassador House in Opfikon, bis hin zu grossen Überbauungen, etwa jene auf dem Baufeld B der Europaallee in Zürich, die aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist. Ich halte sie mit ihrer Eleganz im Dialog mit der ehemaligen Sihlpost für sehr gelungen.
Warum haben Sie sich seinerzeit für das Studium der Architektur entschieden?
Wegen der Baukrise der 1980er-Jahre habe ich zuerst zwei Semester Medizin studiert. Dass ich dann zur Architektur gewechselt habe, habe ich nie bereut. Mir ging es immer um den kreativen Prozess. Ich wollte etwas erschaffen, das bleibt und einen Nutzen für die Menschen hat. Ich glaube, das macht den Beruf doch ziemlich attraktiv.


Haben Sie Vorbilder?
Ich arbeite sehr stark mit Referenzen, auch historischen. An der ETH habe ich mal eine Arbeit über Mies van der Rohe geschrieben, einen der klassischen Vertreter der Moderne. Ich mag ebenso Le Corbusier, Hans Scharoun oder Alvar Aalto, der eine Art organische Architektur vertreten hat. Ein Entwurf von Louis Kahn hat mich für das Projekt Hurdnerwäldli inspiriert. Ich bewundere aber auch einen Jean Nouvel, der immer wieder versucht, eine ganz neue Formensprache zu bewältigen. Er arbeitet heute viel im arabischen Raum.
Wahrscheinlich hat er dort einfach mehr gestalterische Freiheiten als hier.
Bestimmt. Und Freiheiten auszuleben, ist doch etwas sehr Erstrebenswertes. Das geht in einer Demokratie, die vielleicht ein bisschen überreglementiert ist, tatsächlich nicht. Aber wir haben in der Schweiz trotzdem eine der höchsten Architekturdichten auf der Welt. Es ist eben auch hier möglich, sehr gute, wenn auch nicht so expressive Architektur zu machen.
Wie sieht Ihre Entwurfspraxis aus?
Ich entwickle die Gebäude in der Regel aus der Aufgabe heraus. Das soll nicht heissen, dass der Bau keine spezifischen Merkmale hat. Eigenständigkeit ist immer ein Thema. Sie muss nicht spektakulär sein, aber es soll etwas zu entdecken geben. Wie schon erwähnt: Struktur hilft, eine Grundordnung zu schaffen, dann verträgt es auch etwas Ornament oder Extravaganz.
Wie hat sich Ihre Sicht in den letzten dreissig Jahren verändert?
Die Euphorie für die Architektur ist geblieben, auch wenn es immer wieder Enttäuschungen gibt. Man verliert Wettbewerbe, man wird kritisiert – aber man wird wahrgenommen. Und um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Es bringt so viel Spass, bei der Halter Gruppe zu arbeiten, weil man all dieses Know-how abgreifen kann. Das Netzwerk, das zur Verfügung steht, macht es einfach noch mal spannender als in einem klassischen Architekturbüro. Es ist eine Ausweitung der Sicht. Was heisst es wirklich, ein Projekt zu entwickeln, das dann im Markt funktioniert? Da sind Gesprächspartner, die die Architektur in einem ganz anderen Licht sehen, aus der Perspektive der Nutzer, aus der Perspektive des Marktes – und das ist überhaupt nichts Negatives.
Es ist so viel Know-how im Unternehmen vorhanden und auch extrem viel Wille, etwas zu bewegen.
Wer sind bei Halter Ihre Ansprechpartner?
Ich bin direkt Maik Neuhaus, dem CEO der Halter AG, unterstellt und in stetigem Kontakt mit allen Divisionen und Standorten. Wir haben aber auch Spezialprojekte direkt mit Markus Mettler entwickelt oder Halter Renovationen bei strategischen Projekten unterstützt.
Wie ist Ihr Team aufgebaut?
Gestartet haben wir im April 2024 zu zweit, Dominik Eggstein, gelernter Bauzeichner, und ich. Gleich zu Anfang wurden wir mit Aufträgen überrannt. Seit einem halben Jahr unterstützen uns Ole Bühlmann und Alain Glasson, beide ETH-Architekten. Damit hat sich der Fächer geöffnet, es gibt einen zweiten Blick, mehr Diskussionen, mehr Hinterfragen – und dann wirkliche Konzentration.
Ist es nicht schwierig, viele verschiedene Projekte auf einmal zu bearbeiten?
Ich bin ein Sprinter. Ich liebe es, einzutauchen und wieder rauszuspringen. Je komplizierter etwas ist, desto mehr ist man gefordert und desto spezieller können die Lösungen sein.
Welchen Rat würden Sie Ihren jüngeren Kollegen geben?
Ich finde das Studium der Architekturgeschichte, also mal rückwärts schauen, immer noch viel inspirierender als diese ganzen Instagram-Beiträge. Alles, was heute relevant ist, wurde schon einmal von unseren Vorgängern behandelt. Ich beschäftige mich eben noch gern mit diesen Referenzen, und auch mein Gegenüber weiss dann sehr schnell, von was ich rede und was ich erreichen will.
Welche Perspektive sehen Sie für das Kompetenz-Center «Städtebau und Architektur»?
Die Pipeline ist voll, und das Potenzial ist riesig. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Abteilung wachsen wird. Es ist so viel Know-how im Unternehmen vorhanden und auch extrem viel Wille, etwas zu bewegen. Das spürt man.
Und wie lange sind Sie noch dabei?
Ich weiss es nicht. Ich bin im März 66 geworden. Das erste Jahr war streng, aber total spannend. Ich mache weiter, solange ich kann.

Christof Glaus wurde 1959 in Rapperswil geboren. Von 1983 bis 1987 studierte er Architektur an der ETH Zürich. Danach arbeitete er bei mehreren kleineren Architekturbüros, bevor er zu Stücheli Architekten in Zürich kam. Dort wurde er 1996 Partner und prägte mit seinen Entwürfen und Wettbewerbsbeiträgen die architektonische Ausrichtung des Büros. Zu den realisierten Bauten gehören das Bürohochhaus der Swiss Re, Zürich, das Verwaltungsgebäude Tecan, Männedorf, oder das Geschäftshaus der Mobimo Verwaltungs AG, Küsnacht. Seit April 2024 leitet Christof Glaus das Kompetenz-Center «Städtebau und Architektur» der Halter AG.