Brüche sichtbar machen
Am Seedamm in Pfäffikon entsteht in einem sehr heterogenen Umfeld ein Bürokomplex, der die Eigenheiten und verschiedenen Massstäblichkeiten der Umgebung aufnimmt und in ein höchst spannendes, kristallin wirkendes Gebäudekonglomerat verdichtet. Entworfen wurde es vom neuen Halter-Kompetenz-Center «Städtebau und Architektur».

Der amerikanische Architekt Louis Kahn (1901–1974) gilt als einer der grossen Baumeister des 20. Jahrhunderts. Mit komplexen Raumkompositionen und einer meisterhaften Lichtchoreografie schuf Kahn Bauten von archaischer Schönheit und universaler Symbolkraft. Eines seiner Projekte, die nie gebaut wurden, diente als Grundlage und Referenz für das hier zu besprechende Projekt am Hurdnerwäldli: das Dominikanerinnenkloster in Pennsylvania (1965–1968). Das Projekt überzeugt durch eine stringente geometrische Grundhaltung, die in der Essenz ein komplexes Raumensemble generiert. Eine klar strukturierte Klammer aus aneinandergereihten Individualräumen umfasst auf drei Seiten die im Innern dieser u-förmigen Anlage gelegenen Kollektivräume, die über Eck miteinander verbunden sind. Durch die Drehung der quadratischen Räume im Innenbereich entstehen Spannung und Dynamik.
Setzung und Einbettung ins Gelände
Ähnlich verhält es sich beim neu entwickelten Gebäudekomplex am Hurdnerwäldli. Als Bürohaus geplant, übernimmt der äussere Ring mehrheitlich das individualisierte moderne Arbeiten. Die abgedrehten und dadurch schon fast kristallin wirkenden Körper in der Mitte des Gebäudes dienen dem kollektiven Arbeiten und der Kommunikation. Dazwischen öffnen sich begrünte Innenhöfe, die bis zum etwas tiefer ins Gelände hineingesetzten Erdgeschoss reichen und den Empfang veredeln. «Die Höhenentwicklung des Grundstücks war eine der Herausforderungen des Projekts», erläutert Christof Glaus, der als Leiter des neu geschaffenen Kompetenz-Centers «Städtebau und Architektur» der Halter AG für den Entwurf verantwortlich zeichnet. Die Erschliessung des Parkhauses, das sich intelligent entlang des gesamten Gebäudes gegen die Böschung hin auf vier Ebenen entwickelt und so unsichtbar im Erdreich versteckt ist, erfolgt im zweiten Obergeschoss an der Spitze des sich der Parzellenform anschmiegenden Volumens.

Wobei «anschmiegen» wohl das falsche Wort ist. Obwohl das Gebäude die Parzellenform annimmt und die maximale Ausnutzung ausreizt, spiegelt es die Brüche, Massstäblichkeiten und Eigenheiten der Umgebung und übersetzt die Heterogenität des Ortes in ein reizvolles, austariertes Gebäudeensemble aus drei ineinandergreifenden Teilen. Wie ein Triptychon wird der mittlere Teil aufgeladen und beherbergt den Empfang und den repräsentativen Eingang. Die Verschiebung der Fassade in den Gelenken macht die Dreiteiligkeit sichtbar und trägt die Struktur des Inneren auch an die äussere Haut. Die komplexe Form des Gebäudes ummantelt eine regelmässige, nach Gebäudefunktion vertikal gegliederte Fassadenstruktur mit grosszügigen, geschosshohen Fenstern. Sie spielt so mit der seriellen Fugung des Industriebaus und der ruhigen Gestaltung klassischer Gebäude. Vertikale Verankerung trifft auf horizontale Ruhe, städtische Elemente auf rurale Eigenheiten. Die Materialisierung nimmt diese Zwiesprache ebenso auf. Metallelemente fassen die muralen Ausfachungen und verleihen dem Gebäude Eleganz und Offenheit sowie gestalterische Stabilität und ortsspezifische Befestigung.




Kommunikation mit der Umgebung
In der Geschichte von Pfäffikon sorgte lange das Kloster Einsiedeln für das Wohl des Ortes und seiner Bevölkerung. Mit dem Ausbau der Autobahn A3 im Jahre 1968 stieg die Einwohnerzahl kontinuierlich an. Auf Kooperationsland entstanden nacheinander das Seedamm-Center, das Alpamare und die Kantonsschule. Wegen der guten Verkehrserschliessung und des tiefen Steuersatzes zogen nationale und internationale Firmen nach Pfäffikon. Das Industrie- und Gewerbegebiet wurde immer mehr ausgebaut. Das aufgeschüttete Land am Seedamm bewältigte das Wachstum und nahm allerlei Gebäudetypologien auf. Heute treffen hier einerseits mehrgeschossige Dienstleistungsgebäude, verdichtete Wohnbauten, eine Werft, Bootsanlegestellen sowie ein Villenquartier mit Punktbauten, umgeben von einem alten Baumbestand, aber auch eine Kiesverarbeitungsanlage mit mächtigen Silos aufeinander. «Schönheit und Derbheit, geprägt von fast schon übersteigert wirkender Dichte, machen den Ort aus», erklärt Christof Glaus. «Und über allem steht der freie Ausblick auf den Obersee und die Berge sowie über den Damm und die Inseln des Untersees hinweg.»
Schönheit und Derbheit, geprägt von fast schon übersteigert wirkender Dichte, machen den Ort aus. Und über allem steht der freie Ausblick auf den Obersee und die Berge sowie über den Damm und die Inseln des Untersees hinweg.Christof Glaus
Bauherrin des Gebäudekomplexes am Hurdnerwäldli ist die Loreda Real Estate GmbH in Freienbach. Als Hauptmieter wird ein international tätiges Finanzinstitut einziehen, das zu Beginn des Prozesses Projekte an verschiedenen Standorten evaluierte. «Es ging bei unserem Entwurf darum, mit einem cleveren Nutzungskonzept und der Herausarbeitung der Vorteile des einmaligen Standorts zu punkten und gegenüber anderen Objekten und Ortslagen im Wettbewerb zu gewinnen. Das ist uns mit dem vorliegenden Projekt, das nun in der Baueingabephase ist und – wenn alles gut kommt – bis Ende 2028 fertiggestellt wird, gelungen», erklärt Christof Glaus. Das Projekt entsteht im Design-Build-Verfahren, das von Anfang an auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, Auftraggebern, Architekten, Planern und Unternehmern setzt. Durch die frühzeitige Einbindung aller Schlüsselakteure und Know-how-Träger schafft das integrale Projektabwicklungsmodell ein Umfeld des Vertrauens und der gemeinsamen Verantwortung, das zu innovativen und massgeschneiderten Lösungen führt. «Mit der Architektur- und Städtebaukompetenz unserer neuen Einheit sind wir im Prozess ausserdem agiler und im Resultat schneller», meint Christof Glaus. «Gerade beim Projekt Hurdnerwäldli in Pfäffikon mussten wir innerhalb weniger Wochen mit einem Vorschlag im Wettbewerb reüssieren, der nicht nur vonseiten der Machbarkeit, sondern auch durch seine Gestaltung zu überzeugen vermochte. Dies war eigentlich nur möglich, weil die Abläufe in einem internen Kompetenz-Center effizienter und zielführender sind.»
Die Macht der Architektur
Im Moment gibt es dort, wo noch in diesem Jahr mit dem Neubau gestartet werden soll (sofern es keine Einsprachen gibt), eine Lagerhalle sowie einen Umschlagplatz für Mode- und Haushaltswaren mit dazugehörigem Bürobau. Nebenan entsteht eine neue Bootswerft, die wiederum einen neuen Massstab hinzufügt. Das projektierte Gebäude schafft einen Mehrwert an diesem besonderen Ort, dem man die Traumlage vielleicht erst auf den zweiten Blick ansieht. Durch die bodenständige und doch edle Gestaltung sowie die Verankerung des Entwurfs am Ort, seine Transparenz und Offenheit entsteht ein Dienstleistungsgebäude, das in sich ruht, kein Fragment einer grösseren Geste werden will und doch ein starkes Statement abliefert. Dies gelingt auch über den Einbezug von Grünräumen, die die Verbindung von aussen und innen gewährleisten.
Eine Monografie über Louis Kahn, die im Zusammenhang mit einer bemerkenswerten Ausstellung im Vitra Design Museum 2012 entstanden ist, trägt den Untertitel «The Power of Architecture». Und tatsächlich haben Architektur und gute Gestaltung die Macht, auch an einem sehr heterogenen, einerseits etwas unwirtlichen, aber doch magischen Ort wie dem Hurdnerwäldli etwas Neues zu schaffen. Dies birgt die Chance, Situationen zu klären, die Strassenzüge zu definieren und zudem Räume zur Verfügung zu stellen, die in ihrer Komplexität, aber auch in ihrer Flexibilität überzeugen und bestimmt noch für Generationen Gültigkeit haben.


Städtebau und Architektur
... so der Name des neuen internen Kompetenz-Centers der Halter AG, unterstützt unter der Leitung von Christof Glaus die Bereiche Entwicklungen, Gesamtleistungen und Renovationen, insbesondere in frühen strategischen Phasen. Zum einen stehen das besondere Augenmerk auf eine überzeugende und hochstehende Architektur und den dazugehörigen Städtebau im Fokus, zum anderen soll die Entwicklung und Realisierung von Projekten mittels des Design-Build-Modells forciert werden. Hier sind alle relevanten Beteiligten – Bauherren, Gesamtleister, Architekten, Fachplaner, Spezialisten, ausführende Bauunternehmen und Produkthersteller – spätestens in der Engineering-Phase mit an Bord, um qualitätsvollere, kosteneffizientere und nachhaltigere Projekte zu erzielen.