Wenn die Stadt zum Modell wird

Visualisierungen
  • Luucy AG
  • Stadt Burgdorf

Luucy, die interaktive 3D-Plattform für Raum- und Immobilienentwicklung, bietet Städten und Gemeinden ein adäquates Instrument zur nachhaltigen Stadtplanung. Hier können Projektbeteiligte miteinander kommunizieren und Lösungen unter Einbezug der Bevölkerung gefunden werden.

Ein digitaler Zwilling ist das virtuelle Abbild eines Ortes, Werkes oder Systems mit seinen Eigenschaften und seiner Veränderbarkeit. Auch geplante oder gebaute Stadträume erwachen mit ihm zu virtuellem Leben und können besichtigt werden – egal, wo in der (realen) Welt sich der Betrachter gerade befindet oder welche Hardware er benutzt. Ein solcher digitaler 3D-Zwilling ist Luucy. Die offene Web-GISLösung bildet die Topografie der gesamten Schweiz mit allen Gebäuden und der Vegetation dreidimensional ab und reichert sie mit baurechtlichen Grundlagen, Daten der amtlichen Vermessung, Karten sowie hilfreichen Werkzeugen an. Auf der Plattform können Planungs- und Bauvorhaben im Kontext der vorhandenen Gebäude und ihrer Umgebung visualisiert und als Basis für die Partizipation von Behörden und der Bevölkerung genutzt werden.

Letztgenannte galt es in Hergiswil über die Gesamtrevision der Nutzungsplanung zu informieren. Die Gemeinde hatte das Projekt während der Coronapandemie angestossen und suchte verständliche alternative Wege, um mit der Einwohnerschaft zu interagieren. Neben anderen Kommunikationsmitteln kam Luucy als digitaler Zwilling von Hergiswil zum Einsatz. Das Raumplanungsbüro AM-Plan bereitete die erforderlichen Informationen für das virtuelle Gemeindemodell so auf, dass eine präzise und parzellenscharfe 3D-Abbildung der Zonenplanänderungen entstand.

In dem durch Luucy erstellten Modell von Hergiswil sind Bauten vermerkt, deren neu definierte bebaubare Flache über- beziehungsweise unterschritten wird. Mit einem Klick auf die Markierung stehen den Nutzerinnen und Nutzern detaillierte Informationen zur Verfügung.

Einer sinnvollen Innenverdichtung den Weg ebnen

ie Nidwaldner Seegemeinde Hergiswil liegt in malerischer Kulisse am Fusse des Pilatus. In Nachbarschaft zu den traditionellen Dorfteilen Hergiswil Dorf und Matt entwickelten sich in den letzten Jahrzehnten zusätzliche Wohngebiete in den höheren Lagen. Aufgrund von Änderungen in der kantonalen und nationalen Gesetzgebung musste die Gemeinde die Nutzungsplanung dem neuen Planungsund Baugesetz anpassen. Dies bedeutet unter anderem, dass die Bebaubarkeit nicht wie bis anhin durch die Ausnützungsziffer und Geschossigkeit geregelt ist, sondern durch die Überbauungsziffer, also die Gebäudegrundfläche, und die Gesamthöhe. Das entsprechende maximale Volumengerüst jedes Gebäudes wurde im digitalen Zwilling abgebildet. Um der Soll-Verdichtung gerecht zu werden und eine optimale Ausnützung jeder Parzelle zu gewährleisten, ging die Gemeinde aber noch einen Schritt weiter und referenzierte auch eine minimale Überbauungsziffer. Dieses Volumen ist ebenso in Luucy ersichtlich. Die neu definierte bebaubare Fläche, die zukünftig weder über- noch unterschritten werden darf, ist damit ablesbar. «Die Bebaubarkeit ist eine elementare Änderung im neuen Planungs- und Baugesetz, und sie hatte Auswirkungen auf viele Parzellen in unserer Gemeinde », erklärt Ruedi Limacher, Leiter der Abteilung Bau der Gemeinde Hergiswil. «Deshalb haben wir das Mitwirkungsverfahren zeitgleich mit der kantonalen Vorprüfung eingeleitet und konnten so in dieser frühen Phase Anregungen aufnehmen», führt er aus. Aufgrund des Dialogs konnten die meisten Einwendungen gütlich gelöst werden, sodass das Stimmvolk der Gesamtrevision zustimmte. Dies sei auch Luucy zu verdanken, ist Ruedi Limacher überzeugt: «Der abstrakte Zonenplan wurde im digitalen Modell so veranschaulicht, dass er für alle leicht verständlich war. Viele Bürgerinnen und Bürger haben diese Transparenz sehr geschätzt. So konnte das Bewusstsein für eine sinnvolle Innenverdichtung geschaffen werden, die mancherorts eben nur mit dem Zusammenschluss von Parzellen gelingen kann.»

Für die virtuelle Ansicht von Celerina wurden die historischen Gebäude aus verschiedenen Perspektiven durch Drohnen fotografisch aufgenommen. So erwacht der Ortskern in Luucy zum Leben.

Den politischen Projekterfolg sichern

Auch bei der Transformation des Dorfzentrums der Engadiner Gemeinde Celerina war die Beteiligung der Bevölkerung gefragt. Auf Basis des räumlichen Leitbilds 2050 hatte das Planungsteam eine eindrückliche Vision in Form eines Vorprojekts erarbeitet. Dieses wurde auf Luucy übertragen und in die virtuelle «Dorfplattform» mit digitaler Mitwirkungsmöglichkeit eingebunden. Um den einzigartigen Charakter des Ortsbilds erlebbar zu machen, entschied man sich, die historischen Gebäude im digitalen Modell nicht einfach als graue Blöcke darzustellen. Die Bauten wurden vielmehr mithilfe von Drohnen fotografisch aufgenommen und in die digitale 3DUmgebung eingefügt. Weil die Plattform auf einem Open-Source-Framework basiert, sind solche Erweiterungen problemlos möglich.

Die Nutzerinnen und Nutzer fanden einen guten Zugang zur virtuellen «Dorfplattform», wie eine Bevölkerungsumfrage, die im Rahmen einer Projektarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführt wurde, belegt. Über 90 Prozent der Befragten nutzten die Funktionen der Plattform. Ein willkommener Nebeneffekt war, dass sich durch das digitale Instrument auch die jüngere Generation abgeholt fühlte. Es zeigte sich zudem, wie der Einsatz der «Dorfplattform» die Identifikation der gesamten Bevölkerung mit dem Vorhaben nachhaltig unterstützte, sodass keinerlei Aktivitäten in die Wege geleitet wurden, die den Projekterfolg gefährdet hätten.

Auf dem Aebi-Areal in Burgdorf entsteht ein neues, urbanes Quartier mit Wohnungen, Dienstleistungen und Gewerbe. Luucy bildet nicht nur die Etappierung des Projekts ab, sondern auch die Werkleitungen.

Die Städte von morgen entwickeln

Mit den technischen Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten von Luucy ist kaum jemand so vertraut wie Tobias Lüscher, Luucy-CEO. «Unsere User können direkt auf die Plattform zugreifen und Daten per Knopfdruck ein- oder ausblenden. So kann Luucy schnell und unkompliziert im jeweiligen Kontext zum Einsatz kommen», erklärt der Kaufmann. Dies macht vor allem dann Sinn, wenn komplexe Entwicklungsaufgaben anstehen.

Mark Imhof, Architekt und Stadtplaner, setzt die digitale Plattform als Leiter der Stadtentwicklung von Burgdorf ein, um eine Vielzahl parallel laufender Planungsverfahren und Arealentwicklungen zu koordinieren und Zukunftsszenarien zu simulieren. Rund 300 potenzielle Bauvorhaben, die in den nächsten zwanzig bis fünfzig Jahren realisiert werden könnten, sind als Volumenstudien in unterschiedlichen Detaillierungsgraden dargestellt. Der Stadtentwickler erklärt: «Wir besprechen anhand dieses gut verständlichen digitalen Zwillings städtebauliche Überlegungen mit den jeweiligen Entscheidungsträgern. Die Auswertung der Szenarien bildet zudem eine verlässliche Grundlage für die Erweiterung von städtischen Infrastrukturen wie Schulhäusern und Energieversorgung.»

In Burgdorf erwachen aber nicht nur die räumlichen Dimensionen wie Gebäude und Strassen zum Leben, sondern auch die meist unsichtbare Welt der Werkleitungen. Die verschiedenen Elemente des Leitungskatasters können damit schnell und einfach im jeweiligen Kontext der städtischen Planungen eingesetzt werden. Mark Imhof erläutert: «Bestehende Leitungselemente sind oftmals der Grund dafür, dass Projekte nicht oder nur sehr kostenintensiv umgesetzt werden können. Die Plattform bietet die Chance, «blinde Flecken» zu reduzieren und bereits in der strategischen Planung wichtige Einflussfaktoren aus dem Tiefbaubereich zu berücksichtigen. »

Und noch ein weiterer Anwendungsfall wird derzeit in Burgdorf erprobt: das ökologisch drängende Thema der Schwammstadt, die Wege zur Verbesserung des Stadtklimas aufzeigen soll. «Mit Luucy bekommen Verantwortliche, Planer und die Bevölkerung nicht nur die Möglichkeit, ihre Stadt oder Gemeinde aktiv und kollaborativ zu formen, es können auch anstehende gesellschaftliche Fragen adressiert werden. Ich bin davon überzeugt, dass die Plattform das zentrale Transformationsinstrument für eine zukünftige nachhaltige Stadtplanung ist», resümiert Mark Imhof.

LUUCY

wurde 2019 als Aktiengesellschaft gegründet. Der Softwaredienstleister bietet Immobilienentwicklern, der öffentlichen Hand und der Gesellschaft innovative Lösungen für die Gestaltung des Lebensraums von morgen. Die Plattform ermöglicht ihnen einen einfachen digitalen, zentralen und interaktiven Zugang zu aktuellen Daten und Informationen. Das multidisziplinäre Team unter der Leitung von Tobias Lüscher arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Luucy, um nachhaltige, ganzheitliche Lösungen für die Herausforderungen der Stadtplanung zu bieten.
→ luucy.ch

Dieser Artikel ist im Print-Magazin KOMPLEX 2024 erschienen. Sie können diese und weitere Ausgaben kostenlos hier bestellen.

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