Weisser Riese

Die Mall of Switzerland, das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz, entstand in Ebikon, wenige Kilometer nordöstlich von Luzern. In der von Gewerbebauten geprägten Agglomerationssituation stehen jetzt drei markante Volumina: das mit dunklen Faserzementplatten verkleidete Freizeitgebäude, das metallummantelte Parkhaus und die mit weisser Folie umhüllte Mall. Diese bildet mit ihren auf vier Geschossen angeordneten Geschäften das Herz des Gesamt-Ensembles, das auch den neu angelegten Vorplatz Ebisquare umfasst. Von der ersten Idee eines Einkaufs- und Erlebniszentrums im Jahr 2001 bis zur Fertigstellung der Mall of Switzerland 2017 war es ein langer, mitunter schwieriger Weg.
Am 8. November 2017 war es so weit: In Ebikon bei Luzern eröffnete die Mall of Switzerland, die wie die jüngeren Einkaufszentren der Schweiz nach amerikanischem Vorbild Shopping, Entertainment, Sport und Freizeit vereint. Mit der Einweihungszeremonie fand eine gut 15-jährige, nicht immer geradlinig verlaufende Planungsgeschichte ihren Abschluss.
Begonnen hatte alles im Jahr 2001, als die in Ebikon ansässige Schindler Aufzüge AG ihre Idee bekannt gab, auf nicht mehr benötigten Landreserven neben ihrem Firmengelände ein Erlebniszentrum zu errichten. Vier von Einsprachen geprägte Jahre später wurde der für dieses Ebisquare genannte Vorhaben erstellte Bebauungsplan von den Stimmbürgern angenommen, Ende 2008 erteilte der Regierungsrat des Kantons Luzern die Baubewilligung für das Projekt, bei dem Burckhardt + Partner für die Architektur und Holzer Kobler Architekturen für das Interior der Mall verantwortlich zeichneten.
Schindler selbst wollte das Projekt finanziell nicht stemmen; die Suche nach Investoren erwies sich aber als schwierig. Mit La Société Générale Immobilière schien endlich der passende Geldgeber gefunden zu sein, doch zog sich dieser infolge der Finanzkrise 2009 aus den Verhandlungen zurück.


Neustart für das Projekt
In dieser schwierigen Situation übernahm die Halter AG; die Unterzeichnung des Aktienkaufvertrags im Mai 2011 bedeutete den Neustart für das Projekt Ebisquare, das mit dem Label Mall of Switzerland ein verändertes Branding erhielt: Das Gesamtprojekt wurde in die Teilprojekte Einkaufszentrum mit Parkhaus, Freizeitzentrum, Wohnbebauung sowie Hotel- und Dienstleistungsgebäude unterteilt und etappiert weiterentwickelt.
2014 konnte schliesslich mit der in Luxemburg ansässigen Silver Moss C Retail S.à.r.l., einer Tochtergesellschaft der Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), eine neue Investorin gefunden werden. Als Totalunternehmerin übernahm Halter Gesamtleistungen die Realisierung des Bauprojekts.
Die Anlage fügt sich hinsichtlich ihrer Volumetrie in die von Industrie- und Gewerbebauten geprägte und daher nicht eben mit Aufenthaltsqualität gesegnete Umgebung der Zugerstrasse in Ebikon ein. Die Mall of Switzerland ist verkehrstechnisch gut angebunden: Eine Passerelle verbindet das erste Obergeschoss direkt mit dem halbstündlich bedienten S-Bahn-Haltepunkt Buchrain an der Strecke Luzern – Baar; wer mit dem eigenen Auto anreist, nutzt den Rontal-Autobahnzubringer und findet Stellplätze im Parkhaus, das auf mehreren Ebenen Zugänge zur Mall bietet.
Das Gesamtprojekt besteht aus drei Baukörpern. Den Schwerpunkt bildet das Einkaufszentrum mit seiner vereinheitlichenden und nachts beleuchteten Fassade aus ETFE-Folie. Die etwa 100 Geschäfte, Restaurants und Cafés sind auf vier Ebenen organisiert, wobei das vor- und zurückspringende Mieterfassadenkonzept (Jumping Facades) eine Neuheit darstellt. Die innere Organisation erfolgt entlang eines Rundwegs, auf dem zwei polygonale Atrien Zäsuren darstellen und gewissermassen zu den beiden Nachbarbauten vermitteln: dem mit einer Streckmetallfassade umgebenen Parkhaus im Nordosten und dem Freizeitgebäude im Südwesten.
Insgesamt umfasst die Mall of Switzerland 46 000 Quadratmeter Retail-Fläche und 5000 Quadratmeter Gastronomienutzungen; damit gilt sie nach dem Shoppi Tivoli in Spreitenbach als das zweitgrösste Einkaufszentrum der Schweiz.

Der Ebisquare als Hauptzugang
Das Freizeitgebäude steht vor der ebenfalls im Rahmen der Gesamtplanung realisierten Wohnsiedlung «Wohnen am Ebisquare» und umfasst ein Pathé-Multiplexkino mit zwölf Sälen und Imax-Technologie. Dazu kommen ein Fitnesszentrum, ein Restaurant und ein Café.
Verkleidet ist das Volumen mit strukturierten anthrazitfarbenen Faserzementplatten – die Materialisierung setzt auf den Gegensatz zur weichen und weissen Membran der Mall. Dabei ist das Erdgeschoss verglast, was auch für die Mall zutrifft. So wirken die Gebäude nicht hermetisch, sondern öffnen sich zur Stadt, insbesondere zum grossen Vorplatz zwischen beiden Baukörpern. Er trägt den Namen Ebisquare und fungiert als Hauptzugang zur Mall, wird aber auch für Open Air-Veranstaltungen genutzt. Eine zusätzliche Platzkante soll in Zukunft durch das nordöstlich anschliessende Hotel entstehen. Dessen Bau hat allerdings noch nicht begonnen.


Burckhardt+Partner

Burckhardt+Partner
Die Burckhardt + Partner AG ist ein Schweizer Architektur- und Generalplanungsbüro mit Hauptsitz in Basel, den Standorten Bern, Genf, Lausanne und Zürich sowie Niederlassungen in Berlin, Grenzach und Stuttgart. Das Unternehmen wurde 1951 in Basel gegründet und 1981 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; es beschäftigt derzeit rund 360 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist in allen bedeutenden Geschäftsfeldern des Hochbaus tätig. Durch ein Partnermodell sind 62 leitende Mitarbeitende am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt. Bekannt geworden ist das Büro seit seiner Gründung durch den Architekten Martin Burckhardt vor allem mit seinen Bauten für die chemische Industrie, insbesondere für die Firma Sandoz, sowie die Bankenwirtschaft; als Ikone gilt insbesondere der Turm der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (1972–1976) am Bahnhof Basel SBB. Zu den markanten Projekten der jüngeren Zeit zählen das Administrationsgebäude für Roche Diagnostics in Rotkreuz (2011) und der Grosspeter Tower in Basel (2017).