Vorbote einer urbanen Zukunft
Als städtisch geprägtes Bauwerk ist der von Burkard Meyer Architekten geplante Bäretower in Ostermundigen derzeit noch ein Solitär. Mit seiner Fassade aus eloxiertem Aluminium ragt er 32 Stockwerke hoch in den Himmel. In gut sechs Jahren aber wird er, zusammen mit der dann fertiggestellten Tramhaltestelle, den Fixpunkt des neu entstehenden urbanen Zentrums der wachsenden Berner Vorortgemeinde bilden.
Elegant reckt sich der Bäretower neben dem Bahnhof Ostermundigen in die Höhe. Wer ihn umrundet, stellt fest: Das Gebäude präsentiert sich aus jeder Himmelsrichtung anders. Von Osten gegen den Bahnhof hin ist die Silhouette schlank, von Norden her verankert ein Annexbau den Turm optisch im Boden, von Westen offenbart er seitliche Auskragungen, und von Süden präsentiert das Gebäude seine Breitseite.
Aktuell zeigen sich rund um den Bäretower noch starke Gegensätze zwischen der ländlich geprägten Architektur des einstigen Dorfes und dem urbanen Neubau: Etwa an der Nordwestecke, wo das städtisch wirkende Bistro im Turmfuss direkt an eine dreigeschossige Wohnsiedlung aus den 1950er-Jahren mit Giebeldächern grenzt. Im Osten wiederum ist das historische Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1912 nur einen Steinwurf entfernt. Doch das Umfeld wird sich bald wandeln: Der Turm ist ein Vorbote der angelaufenen Urbanisierung der Vorortgemeinde. In gut sechs Jahren halten neben dem Hochhaus die Trams der neuen Linie aus Bern am ebenfalls neuen Umsteigepunkt zur S-Bahn. Auch die Eingemeindung in die Bundeshauptstadt ist aufgegleist, und weitere Neubauten werden folgen. Zugleich mit dem Hochhaus hat Ostermundigen, angrenzend an die künftige Tramstation, jetzt schon einen Stadtplatz erhalten. Ein solcher fehlte in der bandförmig entlang der Bernstrasse verlaufenden Bebauung bisher.
Möglich wurde die Realisierung des von der Halter AG entwickelten Bäretowers durch die 2015 erfolgte Annahme der neuen Bebauungsordnung. Mit dieser konnte der Gasthof Bären abgebrochen und durch das Hochhaus mit 32 Stockwerken, einem fünfgeschossigen Annexbau, einem dreigeschossigen frei stehenden Gebäude – Kubus genannt – und einem Platz ersetzt werden. Die Pläne dazu stammen vom Badener Architekturbüro Burkard Meyer, als Bauherrschaft fungierte Helvetia Versicherungen.
Spannungsvolle Fassadentopografie
Das Hochhaus ist ein idealer Stadtbaustein. Auch wenn der Bau aktuell noch Kontraste setzt, fügt er sich doch gut ein. Dafür sorgt vor allem die sorgfältig und filigran gestaltete Fassade aus wechselweise naturbelassenem und bronzefarben eloxiertem Aluminium. Gerippte, stranggepresste Elemente, ähnlich einem Trapezblech, setzen horizontale Akzente, Lisenen zwischen den Fenstern betonen die Höhe der Geschosse, abwechselnd fassadenbündige Festverglasungen und nach hinten versetzte Fensterflügel erzeugen Tiefenwirkung. Die zweifarbige Materialisierung sorgt zudem je nach Licht, Tages- oder Jahreszeit für wechselnde Farbspiele.
Dieselbe Fassadengestaltung wurde auch für den Annexbau sowie in leichter Abwandlung für das Kubusgebäude übernommen und bindet diese zu einer Einheit zusammen. Aufgelockert wird die Silhouette des Hochhauses durch vor- und rückspringende Ecken sowie einen Wechsel der Grundform zwischen der 9. und 10. Etage. Mit diesem haben die Architekten aus der Not eine Tugend gemacht: Die spannungsvolle Fassadentypologie sorgt nämlich zugleich dafür, dass die Regeln für den Schattenwurf des Hochhauses eingehalten werden.
Der Wechsel in der äusseren Form widerspiegelt sich in den Grundrissen. Vom Erdgeschoss bis und mit dem Restaurant im 9. Stockwerk ist der Erschliessungskern lang gezogen, muss er doch zusätzlich zum Treppenhaus und zu den drei über alle Geschosse fahrenden Aufzügen noch zwei weitere Lifte für den Gastrobetrieb aufnehmen. Rund um diesen langen Kern sind vom 3. bis zum 8. Obergeschoss je sieben Wohnungen angeordnet. Das 9. Geschoss wird vom Restaurant belegt. In den achtzehn darüber liegenden Stockwerken ist der Erschliessungskern kompakter. Hier docken je fünf Wohnungen an. In den Geschossen 29 bis 31 jeweils nur vier, dafür grössere Einheiten. Bei fast allen Wohnungen haben die Architekten Wohn- und Essbereich in den Gebäudeecken angeordnet. Dadurch bieten diese spannende Ausblicke in mindestens zwei Himmelsrichtungen. Das Wechselspiel zwischen aussen und innen zeigt sich auch im obersten Geschoss. Dieses ist überhöht und markiert so den Abschluss des Gebäudes. Entsprechend bieten die drei Penthousewohnungen mehr Raumhöhe. Der Ausbau aller Wohnungen ist schlicht, zurückhaltend und geprägt durch die ebenfalls in Aluminium ausgeführten inneren Oberflächen der Aussenwände, weiss verputzte Trennwände sowie Böden aus Eichenholz. Die grossen, fix verglasten Fenster warten mit breiten Fensterbänken auf und bieten in den 152 Wohnungen wahlweise Aussicht in die Berner Alpen, Richtung Stadt oder Jurakette.
Im Erdgeschoss des Hochhauses sind ein Bistro und eine Gewerbefläche untergebracht. Daneben befindet sich im Annexbau die Empfangshalle des Hotels Harry’s Home. Darüber sind in vier Geschossen die Hotelzimmer angeordnet – einerseits zur Aussenfassade und andererseits zu einem U-förmigen Innenhof hin, der sich zwischen dem Hochhaus und dem Annexbau aufspannt. Der solitär stehende dritte Baukörper beherbergt eine Apotheke, eine Bank und zwei Geschosse mit Arztpraxen. Kubus und Hochhaus fassen den Bärenplatz ein, der in wenigen Jahren einen Teil des neuen urbanen Zentrums von Ostermundigen bilden wird, das dann voraussichtlich keine Gemeinde mehr ist, sondern ein Stadtteil von Bern.
Burkard Meyer Architekten AG Burkard Meyer aus Baden gehört zu den Büros, deren Architektur die Schweiz seit Jahrzehnten prägt. Es wurde 1968 von Urs Burkard und Adrian Meyer gegründet. Heute wird es von sechs Partnern geführt und beschäftigt total rund dreissig Mitarbeitende. Zu den bekanntesten Bauten des Büros gehören das Hochhaus beim Bahnhof Winterthur (2000), das Wohn- und Geschäftshaus Falken (2006), das Freizeit- und Entertainment-Center Trafo auf dem ehemaligen ABB-Gelände (2003) oder das Berufsbildungszentrum (2006), alle in Baden. Grosse Bekanntheit erlangte auch das 2019 fertiggestellte Bürogebäude Suurstoffi 22 in Rotkreuz, das erste aus Holz bestehende Hochhaus der Schweiz.