Modern arbeiten, auf Traditionen bauen
Seit neunzig Jahren wird bei Schlagenhauf gemalt, gegipst, gemauert und saniert. Nun gestaltete der Handwerksbetrieb seinen Hauptsitz in Meilen neu. Unterstützt wurde er dabei von den Experten der Integral design-build AG. Originelle Ideen brachten Studierende vom Haus der Farbe in Zürich ein.
Über eine breite Betontreppe geht es hinauf zum Empfang, wo Kunden und Mitarbeitende an einem weissen Tresen begrüsst werden. Seine Front erinnert an eine Stuckleiste im Maxiformat und ist auch tatsächlich aus Gips geformt. Am einen Ende liegen die Materialschichten offen und zeigen die Arbeitsschritte, die für das besondere Möbelstück nötig waren. Schnell wird klar: Hier versteht einer sein Handwerk. Bei der Rolf Schlagenhauf AG kommt von Malerund Gipserarbeiten über Fassaden bis hin zu Bodenbelägen alles aus einer Hand. Am Hauptsitz in Meilen arbeiten dreissig Beschäftigte mit unterschiedlichen Berufen, Expertisen und Ansprüchen. Als es daran ging, die eigenen Büros modernen Standards anzupassen, war die Integral design-build AG, ein Unternehmen der Halter Gruppe, genau der richtige Sparringspartner. Der Gesamtleister für Innenausbau und Arbeitswelten erfasste die Bedürfnisse des Betriebs und entwickelte zusammen mit seinem Kunden die Vision eines effizienten und integrativen Büroumfelds. Innerhalb eines Jahres wurde das gesamte Projekt realisiert.
Mehr Raum für Zusammenarbeit und Interaktion
Mehr Raum für Zusammenarbeit und Interaktion-Geschäftsräume am Firmensitz liegen in einem lang gestreckten, schmalen Gebäudeteil auf 590 Quadratmetern Fläche.» Ursprünglich waren hier geschlossene Einzel- und Gruppenbüros untergebracht. Darum lautete das Hauptziel des Umbaus, mehr Raum für die Zusammenarbeit und Interaktion zu schaffen. Zudem war es Schlagenhauf wichtig, im Ausbau das Können der verschiedenen Gewerke, die in der Firma gebündelt sind, zu zeigen. «Der grosse Treiber war die Leidenschaft zum Handwerk», betont Stefanie Wandiger. Aufgrund eines DIN-A4-Blatts, auf dem der Geschäftsführer Rolf Schlagenhauf seine Zielsetzung skizziert hatte, sowie Interviews und eines Workshops mit seinen Mitarbeitenden wurde eine Bedarfsanalyse erstellt. «Basierend auf den Gesprächen haben wir dann das Raumprogramm ausgearbeitet », erklärt Stefanie Wandiger den Prozess und fährt fort:
Viele Optionen bot die Architektur nicht. Die Lösung bestand darin, Arbeitsplätze für jeweils acht bis zwölf Personen zu entwerfen – entweder Rückzugs- oder Besprechungsräume –, die akustisch voneinander abgeschirmt sind. Dieser Wechsel aus offenen und geschlossenen Bereichen zieht sich nun vom Anfang bis zum Ende durch.Stefanie Wandiger
Wegen der besonderen Struktur wurde eine Abschottung zum langen Gang nötig, der vom Eingang aus alle Bereiche miteinander verbindet. «Das war wichtig, damit sich die Mitarbeitenden nicht gestört fühlen, wenn jemand an ihrem Arbeitsplatz vorbeiläuft», erklärt Stefanie Wandiger. Mal steht entlang des Gangs nun eine hüfthohe Ablage, mal ein raumhohes Regal, das auch als Sichtschutz dient und auf der Rückseite bei Bedarf mit Whiteboards bestückt werden kann. Im Bereich der acht Fokusnischen – Schreibtische mit gepolstertem Sicht- und Hörschutz – fungieren allein schon die Möbelstücke ausreichend als Abgrenzung. Der Druckerbereich auf der anderen Seite des Ganges wurde aus Backsteinen vor Ort gebaut. Die Idee dazu stammt vom kreativen Nachwuchs am Haus der Farbe in Zürich, das die Rolf Schlagenhauf AG seit Langem unterstützt.
«Wir haben einen Studentenwettbewerb initiiert. Die Aufgabenstellung für eine Semesterarbeit der Lernenden lautete, für gewisse Umbaubereiche ungewöhnliche, aber umsetzbare Lösungen zu finden. Aus den präsentierten Ergebnissen haben wir schliesslich einige aufgegriffen», erklärt Stefanie Wandiger. So etwa die Stucktheke am Empfang oder die spezielle Wandgestaltung im «One-to-one»-Raum, für die Schnüre in Grafitpulver gelegt und dann gegen die Wand geschlagen wurden, sodass dort ein Geflecht aus Linien entstand. In einem Besprechungszimmer kam Lehmputz zum Einsatz, dessen Aufbau sichtbar bleibt, und auch die Trennwand aus dunklem Fischgratparkett basiert auf den Einfällen der Studierenden. «All das soll dem Kunden die Qualität von handwerklicher Arbeit näherbringen. Normalerweise sieht er nur das Endprodukt, hier aber kann er auch den Entstehungsprozess verfolgen», erläutert Stefanie Wandiger.
Weitere Neuerungen hat Integral im Rahmen von «Co-Creation»-Workshops mit dem Auftraggeber gemeinsam entwickelt. Dazu gehört zum Beispiel die lange königsblaue Wand, deren besondere Farbpigmente eine Tiefenwirkung erzeugen. Hinter ihr liegt das grosse Lager des Handwerksbetriebs. Einen weiteren Hinweis darauf, dass es sich hier nicht um ein herkömmliches Büro handelt, gibt der nackte, originalbelassene Steinboden, auf dem nur ab und an Auflageteppiche liegen. Sie können einfach gereinigt oder bei Bedarf auch ersetzt werden.
Robuste und wenig schmutzanfällige Materialien
Sowohl die Mitarbeitenden in der Verwaltung als auch die Handwerker, die meist auf den Baustellen unterwegs sind, finden hier ein Umfeld vor, in dem sie sich wohlfühlen. Das Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgattungen hatte Einfluss auf alle verwendeten Materialien, die robust und leicht zu reinigen sein müssen – wie die zwei massgefertigten Holzkojen im hellen Eingangsbereich, in denen kurze Kundengespräche stattfinden können. Manchmal verrichten dort auch Mitarbeitende, die nur sporadisch kommen und keinen voll ausgestatteten Arbeitsplatz benötigen, ihre Tätigkeit. In nächster Nähe können Lieferanten an einem runden, hohen Tisch – «Touchpoint » genannt – Formulare ausfüllen. So dient das Entrée zugleich als eine für alle zugängliche Begegnungszone.
Dazu gehört auch die sogenannte «Planbar» mit einem Hochtisch für technische Besprechungen, wo sich bis zu sechs Personen ungestört austauschen können, sowie der «One-to-one»-Raum für vertrauliche Termine wie Bewerbungsinterviews oder Personalgespräche. Als Trenner und akustische Blocker zwischen den Arbeitsbereichen fungieren ein Videokonferenzraum für zwei Personen und ein klassisches Sitzungszimmer. Hinter der Wandfarbe des Videoraums steckt eine ganz besondere Idee:
Die Wände sollen jeweils in der Pantone-Farbe des Jahres gestrichen sein. Darum strahlt das Zimmer gerade in knalligem Magenta. Es soll aber schon bald einen neuen Anstrich in Peach Fuzz bekommen.Stefanie Wandiger
Obwohl das gesamte Büro «non-territorial» angelegt ist, sich die Mitarbeitenden also am Morgen in einem Buchungssystem spontan ihren Arbeitsplatz aussuchen können, zieht es bislang die meisten immer wieder an den gleichen Platz. New Work braucht eben ein wenig Übung und bietet doch von allem etwas: ein modernes Arbeitsumfeld für Begegnung, Austausch und Konzentration sowie einen Ort, an dem nach wie vor die Tradition zu Hause ist. Mut bewies die Schlagenhauf AG bei ihrem Umbau allemal, denn bis auf den Boden blieb nahezu nichts beim Alten.