Gemeinsam in die Zukunft investieren

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Danielle Griego
Visualisierungen
  • EHT Foundation/Daniel Winkler
  • ETH Design++

Das Zentrum Design++ an der ETH Zürich forscht an digitalen Tools aus den Bereichen künstliche Intelligenz und erweiterte Realität, um die CO₂-Emissionen in der Bauindustrie zu reduzieren. Die Halter Gruppe unterstützt diese Bemühungen langfristig.

Der Industriesektor Architektur, Ingenieur- und Bauwesen (AEC) trägt weltweit die grösste Verantwortung bei der Reduzierung der CO₂-Emissionen. Die vielschichtige und von unterschiedlichen Interessengruppen geprägte Industrie wird jedoch noch zahlreiche Herausforderungen bewältigen müssen, damit sie nachhaltig Wirkung erzielen kann. Um die CO₂-Emissionen der AEC-Branche zu reduzieren, muss die Art und Weise verändert werden, wie man Probleme angeht und Arbeiten ausführt. Eine Gruppe von Professoren, Wissenschaftlern und Branchenführern hat sich deshalb zu Design++ zusammengeschlossen, einem neuen Forschungszentrum an der ETH Zürich. Hier sollen die anstehenden Herausforderungen analysiert und Berechnungswerkzeuge entwickelt werden, damit Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen zukünftig in der Lage sind, bessere Arbeit zu leisten.

Zu diesen computergestützten Werkzeugen gehören künstliche Intelligenz (AI) und erweiterte Realität (XR). AI wird gemeinhin mit der IT-Branche in Verbindung gebracht, da sie in Suchmaschinen, bei der Gesichtserkennung auf Mobiltelefonen oder neuerdings auch bei der Erstellung von Texten und Bildern zur Anwendung kommt. XR findet ihren Einsatz mit Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) im Metaverse oder in der Spieleindustrie. Diese leistungsstarken Werkzeuge können auch auf den AEC-Sektor zugeschnitten werden und bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen, denen sich kommende Generationen stellen müssen.

Dr. Danielle Griego, geschäftsführende Direktorin des Zentrums Design++ an der ETH Zürich: «Wir wollen künftige Ingenieure und Architekten befähigen, mithilfe digitaler Technologien Prozesse in der Bauindustrie neu zu gestalten.»

Was ist Design++?

Das Center for Augmented Computational Design in Architecture, Engineering and Construction, kurz Design++, ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum an der ETH Zürich, das computergestützte Werkzeuge in Forschung und Praxis weiterentwickelt. Das Zentrum wurde von Professoren des NCCR dfab (National Center for Competence in Research for Digital Fabrication) initiiert, die Innovationen im AECSektor vorantreiben wollen. Es sollen nicht nur neue Methoden der robotergestützten Fertigung und des 3D-Drucks für nachhaltiges Bauen entwickelt werden, sondern auch neue computergestützte Entwurfswerkzeuge, die mit künstlicher Intelligenz und erweiterter Realität arbeiten. Die anfängliche Kernfinanzierung des Zentrums stammt aus einem wettbewerbsgetriebenen Finanzierungsmodell, das die ETH für zukunftsorientierte Forschungsbereiche anbietet, und wird durch Industriepartnerschaften und Forschungsprojekte zu verwandten Themen ergänzt.

Welche Herausforderungen der AEC-Branche sollen angegangen werden?

Nichts ist wichtiger als das Ziel, die CO₂-Emissionen im AEC-Sektor zu reduzieren. Dies erfordert, dass jeder Schritt der traditionellen Prozesse überdacht wird, von der Konzeption über die Planung, den Bau und den Betrieb bis hin zur Wiederverwendung und Wiederverwertung – natürlich immer mit dem Fokus, qualitativ hochwertige Lebensräume zu gestalten und nachhaltige Strukturen zu schaffen. Es gibt viele Möglichkeiten, die Umweltauswirkungen der AECBranche deutlich zu reduzieren. Die Kreislaufwirtschaft ist eine vielversprechende Lösung, um das gebundene CO₂ in Baumaterialien erheblich zu verringern, allerdings gibt es noch unzählige ungelöste Herausforderungen für die Logistik.

Zukünftftig könnten Planungs- und Bauprozesse durch Spatial- Computing-Plattformen gesteuert werden, die allen Beteiligten Entscheidungsmöglichkeiten in Echtzeit bieten.

Wie können AI und XR in der AEC-Branche eingesetzt werden?

Neue Technologien einschliesslich AI und XR bergen grosses Potenzial für die AEC-Branche. So haben die Forscher von Design++ generative Designwerkzeuge entwickelt, die AI zur Unterstützung früher Designentscheidungen nutzen. Diese Werkzeuge schlagen nicht nur verschiedene Möglichkeiten geometrischer Modellierung vor, sondern berücksichtigen auch Leistungskriterien wie eine Strukturanalyse, gebundenes CO₂, Ästhetik und Kosten. Zwei exemplarische Projekte sind AI-Augmented Architectural Design und Domain-Aware-AI Augmented Design of Bridge Structures.

Ein weiteres Projekt von Design++, das AI zusammen mit XR einsetzt, ist das 7DayHouse. Ziel ist, einen computergestützten Arbeitsablauf zu schaffen, der es ermöglicht, ein Haus innerhalb von sieben Tagen zu entwerfen und zu bauen (ohne Genehmigungsverfahren). Dabei kommt ein interaktives AIModell zum Einsatz, das die Wünsche des Auftraggebers und die Konstruktionsanforderungen für die Herstellung mit einer XR-Schnittstelle integriert. So können sich Eigentümer sehr früh vorstellen, wie ihr Haus einmal aussehen wird.

Warum eine Partnerschaft zwischen Hochschulen und Industrie?

Design++ will die Theorie in die Praxis bringen und die Grenzen bezüglich Nachhaltigkeit und Innovation in der Industrie erweitern. Daher ist es wichtig, Partnerschaften mit gleichgesinnten Unternehmen einzugehen, die daran interessiert sind, neue digitale Methoden zur Reduzierung der CO₂-Emissionen einzusetzen. Gleichzeitig profitieren die Unternehmen von der strategischen Partnerschaft, weil sie Neuerungen aus erster Hand erhalten, die in den Bereichen Informatik und Ingenieurwesen an der ETH Zürich für die AEC-Branche entwickelt werden. Umgekehrt wird deutlich, was angesichts der spezifischen Bedürfnisse der Branche relevant ist und weiterentwickelt werden könnte. Dies funktioniert bereits mit drei strategischen Partnern aus der Industrie: Basler & Hofmann, Hexagon und der Halter Gruppe.

Design++ verfolgt das Ziel, Rechenwerkzeuge und Prozesse mithilfe von AI, XR und Machine-Learning zu entwickeln, um damit die Produktivität, die Qualität und die ökologischen Auswirkungen im Bereich Architektur, Ingenieur- und Bauwesen zu verbessern.

Mit welcher Strategie können innovative digitale Methoden in die Praxis umgesetzt werden?

Zusammen mit der Halter Gruppe wurde ein Förderprogramm entwickelt, das Toptalente der ETH Zürich dabei unterstützt, innovative Forschungsideen zu testen, die das Potenzial zur Kommerzialisierung haben. Dieses Stipendienprogramm begann 2023 und wird in den nächsten sechs Jahren fünf Stipendiaten unterstützen. Es soll dazu beitragen, eine Umsetzungslücke für vielversprechende Technologien und Lösungen zu schliessen sowie Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft, integrierte Planungsprozesse und die Reduzierung von CO₂-Emissionen in der AECBranche zu unterstützen.

Zu den Forschungsthemen gehören unter anderen: die Entwicklung innovativer Methoden oder digitaler Werkzeuge (etwa auf der Grundlage von AI, maschinellem Lernen und XR) für die gesamte Wertschöpfungskette vom Entwurf bis hin zur Realisierung neuer Bau- oder Renovierungsprojekte; die Förderung von XR und Robotik zur Unterstützung von Planung, Bau, Vorfertigung und Renovation; die Entwicklung von Methoden zur Ergänzung und Automatisierung der Gebäudedatenmodellierung (BIM) mit dem Ziel, die Lücke zwischen Bau und Betrieb zu schliessen; die Entwicklung datengesteuerter digitaler Planungen, um Innovationen für Fassaden und Gebäudehüllen, Konstruktion und Strukturen, Innenräume und/oder Gebäudedienstleistungen voranzutreiben.

Der erste Stipendiat hat im Oktober 2023 begonnen. Er beschäftigt sich mit Robotik und XR für Baustellen, um die Lokalisierung verschiedener Datensätze (Punktwolken, Bilder, CAD-Modelle usw.) zu verbessern und diese in ein robustes AR-Toolkit für den Bau zu integrieren.

designplusplus.ethz.ch

Dieser Artikel ist im Print-Magazin KOMPLEX 2024 erschienen. Sie können diese und weitere Ausgaben kostenlos hier bestellen.

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