Es klemmt im Getriebe der Innenverdichtung
Die Innenverdichtung leistet einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, schafft bezahlbaren Wohnraum an gefragten Lagen und wirkt der Zersiedelung und der Versiegelung des Bodens entgegen – so die Theorie.
Dabei stünde ein Rezept bereit: die Innenverdichtung. Sie leistet einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, schafft bezahlbaren Wohnraum an gefragten Lagen und wirkt der Zersiedelung und der Versiegelung des Bodens entgegen. So die Theorie. Doch der Unterschied zwischen Theorie und Praxis – das ist das Paradoxe – ist in der Praxis weit grösser als in der Theorie. Die Verdichtung als Landbewirtschaftungsstrategie ist noch nicht angekommen. Bebaubares Land wird als unendliche Ressource wahrgenommen. Mancherorts fehlt auch schlicht die politische Motivation, vor dem Hintergrund einer Not-in-my-Backyard-Haltung einer urbanen Bevölkerung. Das führt zu stockenden Reformen der lokalen Bau- und Zonenordnungen und zu raumplanerischer Mutlosigkeit.
Ein weiteres Hindernis ist das extensive Einspracherecht, das zunehmend zur Grundsatzopposition oder für Partikularinteressen missbraucht wird. In diesem Kontext ist auch die Haltung des schweizerischen Heimatschutzes zu lesen, der mit einer Fixierung auf das Argument der grauen Energie ein faktisches Abbruchverbot fordert.
Am Beispiel des Heimatschutzes lässt sich exemplarisch beobachten, wie Organisationen und Verbände die Klimakrise für ihre eigenen Zwecke und Ideologien nutzen. So ist die Forderung eines faktischen Abbruchverbots des Heimatschutzes gerade aus energiepolitischen Überlegungen falsch. Energetisch und funktional nicht mehr intakte Gebäude beanspruchen bei ihrer aufwendigen Instandsetzung in der Regel gleich viel oder sogar noch mehr graue Energie wie ein zeitgemässer Neubau. In der Bilanz ist ein Ersatz des Bestands über die Innenverdichtung gemäss der Vorgabe des Raumplanungsgesetzes eine der klimaeffektivsten Massnahmen überhaupt. Das Argument, über Ausnützungsboni würden falsche Anreize für Hauseigentümer gesetzt und energetisch intakter Bestand zerstört, ist darum zu kurz gedacht. Der Eigentümer eines funktional intakten Gebäudes wird wenn immer möglich im Bestand verdichten, weil er (zumindest) den wirtschaftlichen Wert seiner Liegenschaft erhalten will.
Es ist gut und notwendig, historisch und kulturell wertvolle Bauten nicht mit der dualen Sichtweise der ausschliesslichen Logik von Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit zu betrachten, sondern einer ehrlichen lnteressenabwägung zu unterziehen. Doch die Schweizer Bevölkerung wächst noch immer, und damit steigt die Wohnungsknappheit. Die einzige Alternative zur Innenverdichtung ist es, weiter auf der grünen Wiese zu bauen. Das kann niemand wirklich wollen.
Innenverdichtung kann den CO2-Fussabdruck verringern und bezahlbaren Wohnraum schaffen
Was braucht es, damit die Innenverdichtung aus der Sackgasse der Interessen findet? Die Verdichtungsstrategie ist kein Allerortskonzept, das ist offensichtlich. Doch genau darum sind eine klar definierte Zielsetzung und deren konsequente Umsetzung gefragt. Im Zentrum der Betrachtungen stehen gemäss der Raumgliederung des Bundesamts für Statistik die Agglomerationsgürtelgemeinden sowie die Haupt- und Nebenkerne der Agglomerationskerngemeinden.
Jeder Quadratmeter Wohnfläche, der an einer zentralen Lage erstellt wird, hat einen geringeren CO2-Fussabdruck als ein Quadratmeter Wohnfläche an einer nicht zentralen Lage. Das liegt am tieferen Flächenverbrauch pro Kopf – wo das Land teuer ist, gebieten die ökonomischen Grundmechanismen einen effizienteren Flächenkonsum. Gleichzeitig sinkt der Verbrauch der Mobilitätsenergie im Vergleich zu dezentralen Lagen. Die Innenverdichtung hält auch einen Mechanismus dafür bereit, bezahlbaren Wohnraum in Abhängigkeit zur zusätzlich generierten Nutzung über eine sinnvolle Quote festzusetzen. Ein Teil des durch die Innenverdichtung erreichten Ausnützungspotenzials kann dem Markt entzogen und als günstiger Wohnraum angeboten werden. Nichtverdichtung an zentralen Lagen akzentuiert das Problem bezüglich bezahlbaren Wohnraums, weil dort, wo die Leute wohnen wollen, keine Wohnungen entstehen. Mit der konsequenten Innenverdichtung wird es auch aus volkswirtschaftlichen Überlegungen sinnvoll, bezahlbaren Wohnraum an zentralen Lagen zu erstellen beziehungsweise einzufordern.
Alle Akteure sind dazu aufgerufen, die Klemme in der Innenverdichtung zu lösen und zu helfen, dass der Prozess wieder Fahrt aufnimmt. Städte und Gemeinden müssen die sich bietenden Potenziale auf ihrem Gemeindegebiet mit entsprechenden Auf- und / oder Umzonungen umsetzen. Massnahmen wie Mehrwertabgaben und Mehrwertausgleich sind vorhanden. Die letzten Signale aus Bern bezüglich des politischen Innenverdichtungskillers Lärmschutz stimmen ebenfalls positiv, will doch der Bundesrat das Umweltschutzgesetz abändern und der gängigen Praxis anpassen sowie die bislang notwendige Ausnahmebewilligung in lärmbelasteten Gebieten abschaffen. Investoren und Grundeigentümer sollten dort, wo sich Kosten und Nutzen sinnvoll ergänzen, die Instrumente der Sondernutzungsplanung ergreifen, um erweiterte Nutzungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Bauwirtschaft muss in neuen Planungs- und Fertigungsmethoden denken, um die Gebäude kreislaufwirtschaftsfähig zu erstellen und den Gebäudepark bereits heute für die Verdichtungszyklen von morgen fit zu machen.