Der Wettlauf geht zu Ende

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Urs Ernst
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Pascal Ernst

Das Vermögen der Schweizer Pensionskassen ist in den letzten Jahren markant gestiegen. Gleichzeitig wurde ein immer grösserer Anteil in Immobilien angelegt. Damit entwickelten sich die Pensionskassen zu einem wichtigen institutionellen Akteur auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Nun deutet sich eine Trendwende an. Ihr Gesamtvermögen wird in den nächsten 20 Jahren langsamer wachsen, und ihre Bedeutung als Investoren bei inländischen Immobilien nimmt ab.

Die Pensionskassen sind neben der AHV die zweite tragende Säule der Schweizer Altersvorsorge. Ihre Geschichte reicht über 100 Jahre zurück. Seit der Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) im Jahr 1985 verfügt sie über ein obligatorisches Fundament, auf dem gemäss der aktuellsten Pensionskassenstatistik bis Ende 2014 ein Vorsorgevermögen von 777 Milliarden Franken aufgebaut wurde. Alleine seit 1998 betrug der Zuwachs rund 80 Prozent. Parallel dazu ist der Anteil des in Schweizer Immobilien angelegten Vermögens von 12 Prozent auf über 15 Prozent angestiegen.

Der Gesamtwert der Schweizer Pensionskassenliegenschaften ist damit um über 130 Prozent gewachsen und hat Ende 2014 einen Wert von 121 Milliarden Franken erreicht. Darin sind sowohl die direkt gehaltenen Liegenschaften als auch die indirekten Anlagen in Form von Anteilen an Immobilienanlagestiftungen und Immobilienfonds enthalten. Im Vergleich mit dem Gesamtwert aller Schweizer Immobilien, den Wüest & Partner für 2014 auf 3250 Milliarden Franken schätzt, entspricht dies lediglich knapp 4 Prozent. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass rund zwei Drittel des Gesamtmarkts aus Liegenschaften bestehen, die von den Besitzern selbst genutzt werden.

Der Wert der Immobilien, die an Dritte vermietet werden, liegt gemäss Wüest & Partner bei 1141 Milliarden Franken. Davon entfallen wiederum 238 Milliarden Franken auf institutionelle Anleger. Der Anteil der Pensionskassen an diesem institutionellen Segment liegt also bei rund 50 Prozent. Damit spielen Pensionskassen auf der institutionellen Schweizer Immobilienbühne neben Versicherungen, Anlagefonds und Anlagestiftungen die Hauptrolle.

Der Blick zurück

Umso erstaunlicher ist es, dass bis anhin keine Daten verfügbar waren, die aufzeigen, welche Mittel aus dem stetig wachsenden Kapitalstock der 2. Säule jährlich neu in den Schweizer Immobilienmarkt geflossen sind. Diese Datenlücke wurde durch die Masterarbeit von Pascal Ernst für die Jahre 1998 bis 2014 geschlossen. Für die Jahre 2004 bis 2009 konnten die Nettoinvestitionen der 2. Säule in Schweizer Immobilien auf Basis der Pensionskassenstatistiken ermittelt werden.

Für die Jahre 1998 bis 2003 sowie 2010 bis 2014 mussten die Werte mittels Daten aus den Pensionskassenstatistiken und Werten des KGAST-Immobilienindex (Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen) approximativ berechnet werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gelder, welche die Pensionskassen in Schweizer Immobilien investierten, mit grossen jährlichen Schwankungen von 0,8 Milliarden Franken in 1998 auf 5,7 Milliarden Franken in 2014 gestiegen sind. Damit ist auch der Anteil der Pensionskassen an den gesamten Bauinvestitionen in der Schweiz in der Beobachtungsperiode von 2 Prozent auf 9 Prozent angestiegen.

Marktanteile der Pensionskassen am Schweizer Immobilienmarkt.
Nettoinvestitionen der 2. Säule in Schweizer Immobilien von 1998 bis 2014.

Der Blick nach vorn

Nach der Analyse der Vergangenheit drängt sich die Frage auf, wie sich die künftige Investitionstätigkeit der Pensionskassen am Schweizer Immobilienmarkt entwickeln wird. Ist mit weiter ansteigenden Neuanlagen zu rechnen? Kommt es zu einer Trendabschwächung oder gar zu einer Trendumkehr? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, muss zum einen die künftige Entwicklung der gesamten Kapitalanlagen der Pensionskassen prognostiziert werden. Zum anderen sind Annahmen zu treffen, wie sich der Anteil der Schweizer Immobilienanlagen an den Gesamtanlagen der 2. Säule entwickeln wird.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat zuhanden des Bundesrats im Jahr 2013 den Kapitalstock der 2. Säule bis ins Jahr 2035 geschätzt. Diese Schätzungen basieren auf dem mittleren Szenario zur Bevölkerungsentwicklung des Bundesamts für Statistik.

Pascal Ernst hat ein Alternativszenario durchgerechnet, das von der Annahme ausgeht, dass im Vergleich zum Grundszenario in Zukunft immer mehr BVG-Rentner anstelle einer Rente ihr Altersguthaben in Form einer einmaligen Kapitalauszahlung beziehen werden beziehungsweise beziehen müssen. Diese Annahme wird durch die aktuellen Entwicklungen gestützt: Angesichts tieferer erwarteter Renditen und steigender Lebenserwartung überwälzen immer mehr Pensionskassen wie beispielsweise diejenigen von IBM, Novartis oder Credit Suisse gewichtige Teile des Anlagerisikos auf die Rentner, indem sie diese zwingen, einen Teil ihres Alterskapitals nicht als Rente, sondern als Kapital zu beziehen. Zudem ziehen zunehmend mehr Versicherte den Kapitalbezug der lebenslänglichen Rente vor, weil der Prozentsatz, mit welchem das Altersguthaben in die jährliche Rente umgerechnet wird, laufend abnimmt.

Entwicklung des Kapitalstocks der 2. Säule in Mrd. CHF.

Sinkende Wachstumsraten des Pensionskassenvermögens

In beiden Szenarien wächst der Kapitalstock bis 2035 zwar noch an, die Wachstumsraten weisen aber eine sinkende Tendenz auf und fallen, verglichen mit denjenigen der Jahre 1998 bis 2014, bescheiden aus. Insbesondere im Alternativszenario ist für die kommenden 15 Jahre mit deutlich tieferen Zuwachsraten zu rechnen.

Ausgereizter Portfolio-Anteil an Schweizer Immobilien

Dies wird auch die künftige Investitionstätigkeit der Pensionskassen auf dem Schweizer Immobilienmarkt tangieren. Pascal Ernst geht bei seinen Prognosen zu den jährlichen Nettoinvestitionen der 2. Säule im heimischen Immobilienmarkt davon aus, dass ihr Anteil am Gesamtvermögen auf dem erreichten Niveau stagnieren wird. Diese Annahme ist durchaus realistisch. Auf der einen Seite sind inländische Immobilienanlagen im heutigen Zinsumfeld zwar sehr beliebt, weil sie eine attraktive Ertragsrendite abwerfen und zudem als Stabilisator im Gesamtportfolio wirken, da Direktanlagen und Anlagen in nicht börsengehandelten Anlagestiftungen verzögert und abgedämpft auf Marktveränderungen reagieren. Auf der anderen Seite darf ihr Anteil am Gesamtvermögen aber nicht zu hoch steigen, weil sie sonst zum Klumpenrisiko im Kontext der Gesamtanlagen werden, was aus Diversifikationsüberlegungen nicht vernünftig ist.

Es überrascht deshalb nicht, dass Vorsorgeeinrichtungen im aktuellen Negativzinsumfeld und angesichts drohender Kursverluste auf Obligationenanlagen vermehrt nach attraktiven Anlagemöglichkeiten ausserhalb der traditionellen Anlagekategorien suchen. Zu diesen alternativen Gefässen zählen erstrangige, besicherte Unternehmensanleihen (Senior Secured Loans), Infrastrukturanlagen, Beteiligungen am Aktienkapital von nicht börsengehandelten Unternehmen (Private Equity), Anlagen in Rohstoffe und Hedge Funds sowie vermehrt auch in Immobilien im Ausland.

Die bisherigen Erfahrungen mit ausländischen Immobilienanlagen sind aber eher ernüchternd. Es hat sich gezeigt, dass die erzielbaren Renditen nach Berücksichtigung der Absicherungskosten für Währungsverluste und Aufwendungen für das Portfoliomanagement und die Liegenschaftenverwaltung vergleichsweise bescheiden ausfallen. Ausgehend von weiteren Annahmen zur Wertentwicklung und zum Ertrag der Immobilienanlagen, hat Pascal Ernst die jährlichen Investitionen aus der 2. Säule in den Schweizer Immobilienmarkt unter dem Basisszenario des Bundesamts für Sozialversicherungen und unter seinem Alternativszenario prognostiziert.

In beiden Szenarien liegt die prognostizierte Investitionstätigkeit der Pensionskassen in Schweizer Immobilien deutlich unter den Vergangenheitswerten. Insbesondere im Alternativszenario ist in den kommenden 12 Jahren mit einer markanten Abnahme der jährlichen Neugeldzuflüsse zu rechnen, die von Pensionskassen in den heimischen Immobilienmarkt geleitet werden.

Neuanlagen der Pensionskassen in Schweizer Immobilien in Mio. CHF.

Konsequenzen für die Schweizer Immobilienwirtschaft

Unabhängig vom gewählten Szenario wird sich die Rolle und Bedeutung der Schweizer Pensionskassen als Investoren auf dem Schweizer Immobilienmarkt in den kommenden Jahren abschwächen; im Alternativszenario sogar markant. Falls allerdings immer mehr Pensionierte anstelle einer Rente ihr Alterskapital beziehen beziehungsweise beziehen müssen, dürften der rückläufigen Nachfrage vonseiten der Pensionskassen zwei gegenläufige Trends gegenüberstehen. Zum einen ist mit einer zunehmenden Nachfrage von Privatpersonen zu rechnen, die nach der Pensionierung nach attraktiven Möglichkeiten für den Kauf von selbst genutztem und altersgerechtem Wohneigentum Ausschau halten. Zum anderen dürfte dieser Kreis von Personen auch vermehrt Kapital in Renditeliegenschaften und professionell gemanagte Anlagepools leiten, die im heimischen Immobilienmarkt investieren.

Dieser Artikel ist im Print-Magazin KOMPLEX 2017 erschienen. Sie können diese und weitere Ausgaben kostenlos hier bestellen.

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