«CEO zu sein, ist sicher eine Challenge, aber es bringt vor allem Freude»
Zeitgleich mit der Neufirmierung der Halter Gruppe als Dachorganisation eines Ecosystems hat Maik Neuhaus Anfang 2024 die Leitung der Halter AG übernommen. Mit Ehrgeiz, Elan und Expertise will er die auf Immobilienentwicklungen, Gesamtleistungen und Renovationen spezialisierte Firma in die Zukunft führen.
Vor fünfzehn Jahren trat Maik Neuhaus in die Halter AG ein. In dieser Zeit hat sich nicht nur das Unternehmen weiterentwickelt, sondern auch er. Seit dem 1. Januar 2024 bekleidet er die Position des CEO und ist Chef von über 350 Mitarbeitenden. Wir trafen den 44-jährigen gebürtigen Freiburger im Entwicklungsgebiet Pont-Rouge. Das Bürohochhaus Esplanade 3 ist nicht nur eines seiner Projekte, sondern auch der neue Standort von Halter in Genf.
Komplex: Sie kommen gerade aus einer Mitarbeiterinformation. Was sind die Themen für das laufende Jahr?
Maik Neuhaus: Auf der einen Seite geht es um Kontinuität – die Strategie und die Struktur stehen ja –, andererseits müssen wir uns aber auch ans aktuelle Umfeld anpassen. Das bedeutet, dass wir in jedem Bereich am Justieren sind.
Haben Sie Respekt vor Ihrer neuen Aufgabe?
Ich denke gar nicht gross darüber nach. Ich mache einfach meinen Job und versuche, ihn gut zu machen. CEO zu sein, ist sicher eine Challenge, aber es bringt vor allem Freude.
Was hat Ihnen Ihr Vorgänger Markus Mettler mit auf den Weg gegeben?
Ich habe in den letzten Jahren sehr viel von Markus gelernt, von seiner Art, Projekte anzugehen und ein Unternehmen zu führen. Wir haben schnell gemerkt, dass wir in vielen Sachen gleich funktionieren. Auch wenn wir als Menschen ganz unterschiedlich sind. Die Übergabe war fliessend. Das macht die Kultur bei Halter aus: Jeder kann so sein, wie er ist. Niemand wird in eine bestimmte Richtung gepusht.
Wie sieht Ihr Führungsstil aus?
Ich schenke den Leuten grundsätzlich viel Vertrauen. Darum delegiere ich das meiste. Auf meinem Schreibtisch landen nur die schwierigen Dinge und Themen, bei denen ich das Gefühl habe, meine Fähigkeiten passen besonders gut.
Das Unternehmen ist sehr erfolgreich, sehen Sie dennoch Potenzial?
Wir haben eine komfortable Ausgangslage. Aber es gibt immer Potenzial. Etwa im Bereich der Geschäftsentwicklung und in der Entwicklung in den verschiedenen Regionen. Markus Mettler hat in den letzten Jahren alle Halter-Unternehmen so aufgestellt, dass wir für die Herausforderungen parat sind.
Unsere Wachstumsziele sind ambitioniert, aber ich bin zuversichtlich, dass wir auch erfolgreich sein werden, wenn das Marktumfeld schwieriger wird.
Welche Schwerpunkte möchten Sie setzen?
Unsere Geschäftsmodelle sind die richtigen, und die Performance stimmt. Wir brauchen eine gute Strategie in der Akquisition, müssen Potenziale identifizieren und Opportunitäten packen. Schwerpunkte dabei sind die Schaffung von Wohnraum sowie die Erreichung des Netto-Null-Ziels durch die Etablierung der Kreislaufwirtschaft. Da wollen und müssen wir unseren Beitrag leisten. Aber neben der Entwicklung bleibt unser Schwerpunkt die Realisierung. Wir müssen die Produktion im Auge behalten und auf der Baustelle effizienter werden.
Was ist das Geschäftsmodell der Halter AG?
Unser Kerngeschäft ist einerseits die Entwicklung von Arealen und einzelnen Projekten mit dem Fokus auf die Bestellung, die Produktdefinition und die Erträge respektive die Vermarktung. In den eigenen Projekten tritt Halter Entwicklungen als Besteller auf und agiert als Bauherr, bis das Projekt verkauft wird. Mit Halter Gesamtleistungen und Halter Renovationen liegt der Fokus andererseits auf der Realisierung von Neubau- und Renovationsprojekten sowie der Entwicklung für Eigentümer.
Arbeiten die Bereiche auch zusammen?
In der Halter AG wie in der ganzen Halter Gruppe funktionieren grundsätzlich alle Units und Firmen unabhängig voneinander. Doch logischerweise ergeben sich Synergien. Wenn man für eine Aufgabe den besten Partner sucht, wird man oft im eigenen Ecosystem fündig. Uns verbindet die gleiche Vision und die gleiche Kultur. Aber es gibt auch Fälle, wo man je nach Region oder Thema Partner auf dem freien Markt findet. Dabei ist die Ausrichtung klar: Wenn wir die Besten sein wollen, müssen wir auch mit den Besten zusammenarbeiten.
Sie propagieren seit einiger Zeit neue, integrierte Zusammenarbeitsmodelle. Was versteht man darunter?
Hier sind im Gegensatz zum SIA-Phasenmodell alle relevanten Projektbeteiligten von Anfang an mit an Bord. Das hat in verschiedener Hinsicht einen positiven Impact. Es sorgt für präzisere Prozesse, weniger Schnittstellen, weniger Diskussionen und mehr Know-how-Transfer. Das Modell ist so spannend, weil man einfach die besseren Resultate erzielt und weniger Ressourcen verbraucht. Wir diskutieren diese neue Herangehensweise mit unseren Bestellern, den Architekten und den Unternehmern. Um sie erfolgreich anzuwenden, müssen alle mitmachen.
Mit dem integrierten Modell kann man viel effizienter arbeiten, weil man die gleichen Ziele verfolgt.
Und das Design-Build-Modell ist ein Teil davon?
Wie der Begriff schon sagt, Design-Build ist die Verschmelzung von Planung und Ausführung. Auch so etwas gibt es beim SIA-Phasenmodell nicht. Dort existiert eine Planungswelt, wo die Planer und Architekten im Lead sind, und eine Realisierungswelt, wo die Unternehmen mit der Ausführung beauftragt werden. Hier entsteht oft der grosse Bruch. Beim Design-Build-Modell verschmelzen diese Welten. Man hat eine integrierte Abwicklung, was zu viel besseren Resultaten führt.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Um integriert zusammenzuarbeiten, braucht man die Digitalisierung. Ein digitaler Gebäudezwilling stellt sicher, dass der Daten- und Informationsfluss quasi lückenlos verläuft. Das ist auch die Voraussetzung für eine Kreislaufwirtschaft, weil diese nur funktioniert, wenn man keine Schnittstellen hat. Wollen wir also eine Kreislaufwirtschaft implementieren, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, müssen wir integriert zusammenarbeiten.
Gibt es dennoch Projekte, für die Design-Build nicht infrage kommt?
Im Schweizer Markt nur ein paar wenige Infrastrukturprojekte. Das sind sehr komplexe Vorhaben, bei denen die Bestellung am Anfang noch nicht feststeht. Die anderen 99 Prozent eignen sich.
Dennoch spüren Sie Widerstände.
Mittlerweile gibt es einen Stimmungswechsel. Ein Grossteil der Eigentümer und Investoren hat die Vorzüge von Design-Build und den integrierten Abwicklungsmodellen erkannt. Ich habe eben in der Mitarbeiterinfo gesagt, dass wir vor zehn Jahren in der Schweiz noch ziemlich alleine dastanden. Doch wir konnten viel Überzeugungsarbeit leisten, und der Protektionismus lässt nach.
Was macht Halter besser als andere Mitbewerber?
Wir haben den Vorteil, dass wir schon sehr früh angefangen haben, die neuen Modelle zu praktizieren. Für den Wechsel braucht man mehrere Jahre und muss auch ein paar Rückschläge einstecken. Dieser Prozess liegt hinter uns. Wir sind parat, im Management, aber insbesondere auch auf der operativen Ebene.
An welchem Punkt können Sie sich entspannen und sagen: «Das Projekt ist fertig»?
Relativ spät. Ein Projekt ist mit der Schlüsselübergabe nicht beendet. Man muss auch nach der Inbetriebnahme justieren. Ich sage immer, die Akquisition fängt eigentlich mit der Übergabe und der Erledigung des letzten Mangels an. Wir müssen wirklich sicherstellen, dass wir nicht nur gut entwickeln und ausführen, sondern ein Projekt auch mängelfrei in den Betrieb übergeben.
Gehen Sie dabei auch selbst ins Risiko?
Selbstverständlich. Das beweist unsere Glaubwürdigkeit. Oftmals garantieren wir unseren Kunden schon in der Anfangsphase ein bewilligtes Projekt. Bis dahin übernehmen wir die Risiken und die Finanzierung. Wenn wir nicht performen, werden wir auch nicht bezahlt. Wir können diesen Weg gehen, weil wir das Kapital dazu haben, aber auch weil wir wissen, dass wir die gewünschten Resultate erreichen, selbst wenn es mal einen Umweg braucht.
Und wenn es Einsprachen gibt?
Das muss man gesondert betrachten, weil es inzwischen ein Riesenproblem ist. Einzelne Personen können ganze Projekte verzögern. Dabei geht es oft gar nicht um die Interessen der Gesellschaft, sondern nur um Partikularinteressen. Das ist missbräuchlich. Ein anderes Thema sind die Bewilligungsverfahren, die immer komplexer werden und länger dauern. Die Folge ist, dass in der Schweiz immer weniger gebaut wird, obwohl die Nachfrage steigt.
Wie wichtig sind Ihnen gesellschaftliche und politische Themen?
Hierzulande sind alle Immobilienprojekte mittlerweile sehr exponiert. Es ist nicht mehr wie früher, als man einfach ein Gesuch einreichen konnte und zu bauen begann. Themen wie die Verdichtung interessieren die Gesellschaft, da wollen alle mitreden und haben eine Meinung. Man kann nur erfolgreich sein, wenn man die gesellschaftlichen Bedürfnisse genügend und frühzeitig berücksichtigt und auch mit der Politik in einen Dialog tritt.
Was ist Ihre Antwort auf steigende Mieten?
Es ist uns gelungen, mit der 2019 gegründeten Entwicklergenossenschaft «Wir sind Stadtgarten» ein Geschäftsmodell auszuarbeiten, mit dem wir Projekte realisieren, die qualitativ guten und erschwinglichen Wohnraum zur Verfügung stellen. Wir haben damit auch den Beweis erbracht, dass wir auf Teile von Subventionen verzichten könnten, was unseren Ansatz gegenüber klassischen Genossenschaftsmodellen auszeichnet, die auf günstige Grundstückspreise und damit auf Steuergelder angewiesen sind.
Die wirtschaftliche Entwicklung stockt. Wie reagieren?
Der Kapitalmarkt spielt für uns eine grosse Rolle. Je höher der Zins, desto weniger wird investiert. Auf der anderen Seite haben in den vergangenen Jahren auch die Baukosten stark zugelegt. Relativ viele Baumaterialien und Komponenten kommen aus oder über Regionen, wo Konflikte und Kriege herrschen. Da können die Lieferketten innerhalb von wenigen Tagen abgeschnitten sein. Beides hat sich zwischenzeitlich etwas stabilisiert, aber es bleibt sehr fragil. Wichtig ist, dass wir uns dessen bewusst sind. Wir wollen unserem Geschäftsmodell optimale Sicherheit bieten und mit Projektpartnern Wege finden, solche Risiken abzufangen.
Man sieht gerade weltweit Konkurse von Immobilienunternehmen. Warum kann das Halter nicht passieren?
Weil wir eine gute Balance gefunden haben zwischen unternehmerisch sein, im Sinne von Risiken eingehen, und bodenständig bleiben. Es ist wichtig, eine gewisse Zurückhaltung walten zu lassen, wenn der Markt überhitzt ist. In den letzten zehn Jahren sind die Preise einfach ins Unendliche gestiegen. Das konnte nicht die Normalität sein, das war uns immer bewusst.
Eines Ihrer ersten Projekte bei Halter war das Limmatfeld in Dietikon. Was zeichnet es aus?
Das Limmatfeld ist ein grosses Areal an der Peripherie. Vor fünfzehn Jahren wäre kein Zürcher dorthin gezogen. Der Berliner Architekt Hans Kollhoff entwickelte für uns das städtebauliche Konzept, wir realisierten die richtigen Projekte und Produkte: Eigentumswohnungen, ein Altersheim, Einkaufsmöglichkeiten, Infrastruktur. Mit dem Limmatfeld haben wir es geschafft, einen wesentlichen Beitrag für das neue Image von Dietikon zu leisten und die Bevölkerung zu durchmischen.
Das Transitlager in Münchenstein haben Sie zusammen mit dem dänischen Stararchitekten Bjarke Ingels realisiert.
Er war regelmässig mit seinem Team vor Ort. Das Büro BIG ist ähnlich organisiert wie Halter, flach und wenig hierarchisch. Für die Umsetzung haben wir dann lokale Planer gesucht, der regionalen Rahmenbedingungen wegen. Bjarke Ingels war da sehr offen. Das Transitlager ist ein gutes Beispiel dafür, dass man mit einem berühmten Architekten auch Renditeobjekte, in diesem Fall für einen Fonds der UBS, erfolgreich umsetzen kann. Für Halter war es zudem das erste Projekt in Basel.
Wie wichtig ist Ihnen der architektonische Entwurf?
Sehr wichtig. Wir arbeiten in allen Regionen mit guten und bekannten Architekten zusammen. Aktuell zu erwähnen ist ein Projekt in St. Gallen, das wir gemeinsam mit Herzog & de Meuron entwickeln. Darauf sind wir schon sehr gespannt.
In Genf wurden letzten Sommer die neuen Halter-Büros in Pont-Rouge bezogen. Sie haben selbst einen Teil des Projekts realisiert. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Ich finde das Projekt gelungen. Es ist sehr urban, und man hat immer das Gefühl, man sei irgendwo in Manhattan, je nachdem, in welche Richtung man schaut. Wir haben diese Entwicklung in Zusammenarbeit mit lokalen Bauherren und Partnern durchgeführt, und es hat sich gezeigt, dass man mit den richtigen Strategien und Geschäftsmodellen in jeder Region erfolgreich sein kann.
Wie beurteilen Sie das Potenzial in der Westschweiz?
Positiv. Der Markt ist sehr intakt. Man spürt einen Nachholbedarf im Vergleich zu gewissen anderen Regionen. Ein weiteres Projekt entsteht gerade auf dem ehemaligen Industrieareal der Weinkellerei Schenk in Rolle, das wir vor drei Jahren mit Partnern gekauft haben. La Cité du Vin liegt inmitten von Weinreben, ist derzeit in Bearbeitung und kurz vor der Baueingabe.
Manchmal ziehen sich Bauprojekte unglaublich hin. Welches war Ihr längstes?
Mit dem Stücki Park in Basel waren wir in zwei Etappen rund fünf Jahre in der Ausführung. Das war ein enorm grosses Projekt, eine Kombination von Labor- und Bürobauten. Das Bauvolumen umfasste 200 Millionen Franken.
Wie gelingt es Ihnen in einem solchen Fall, Ihr Team bei der Stange zu halten?
Indem man im Unternehmen eine Umgebung schafft, in der die Mitarbeitenden Spass an ihrer Arbeit haben und sich mit ihr identifizieren können. Das führt zu Kontinuität und zu guten Resultaten auf der Projektebene.
Wir begleiten und coachen jeden Einzelnen und sorgen dafür, dass er sich weiterentwickeln kann.
Sind Sie selbst ehrgeizig?
Ich glaube, das liegt in meinen Genen. Dafür gibt es anderes, was ich nicht bin. Aber ich bemerke immer wieder, dass ich gern Sachen bewege, dass ich gern mit meinen Teams und unseren Kunden Projekterfolge erziele. Unser Geschäft ist sehr anspruchsvoll. Es zeigt sich sehr fragmentiert, und man hat viele Stakeholder wie Besteller, Behörden oder die Gesellschaft, aber insbesondere auch die Menschen auf den Baustellen, die zwölf Monate im Jahr bei jedem Wetter draussen arbeiten. In unserer Branche muss man ehrgeizig sein, um wirklich performen zu können.
Bleibt neben so viel Engagement noch Zeit fürs Privatleben?
Ich habe eine Familie, zwei Kinder, mache jeden Tag Sport und pflege Hobbys. Zwar ist es immer wieder eine Gratwanderung, aber ich habe gelernt, dass es auch eine Frage der Prioritäten ist. Das ermöglicht mir, eine gute Balance zu halten. Schliesslich ist es diese Ausgewogenheit, die die Basis für meine berufliche Performance ist.
Maik Neuhaus
absolvierte eine Lehre als Hochbauzeichner, machte die Berufsmatura und schloss an der Fachhochschule in Freiburg ein Architekturstudium ab. Erste Erfahrungen sammelte er bei Marazzi, bevor er 2008 zu Halter Entwicklungen kam. Dort war er bis 2013 Leiter Entwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung. 2014 wechselte er zu Halter Gesamtleistungen und verantwortete die Entwicklung und Akquisition, ab 2019 war er Geschäftsführer von Halter Gesamtleistungen und Mitglied der Gruppenleitung der Halter AG. Seit dem 1. Januar 2024 ist Maik Neuhaus CEO der Halter AG.