Baurecht, Landwert und zwei ungleiche Partner

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Philipp Schelbert
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Dominique Wyss
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Liegenschaften im Baurecht müssten in Zeiten hoher Immobilienpreise und limitierender Tragbarkeitsregeln der Banken eigentlich im Trend liegen. Doch die Realität sieht anders aus. Immer noch haben Investoren Vorbehalte gegen dieses Konstrukt, zum einen, weil die Ermittlung des Landwerts eine hohe Hürde darstellt, zum anderen, weil das Risiko meist zu einseitig beim Baurechtsnehmer liegt. Mit dem Teilareal Attisholz Ost geht die Halter AG dank einem angepassten Baurechtsvertrag und einem austarierten Risk-Reward-Profil nun neue Wege.

Gerade im aktuellen Marktumfeld könnten durch Mieten statt Kaufen eines Landanteils sowohl der anfängliche Kapitalbedarf als auch die kalkulatorischen Tragbarkeitskosten verringert werden. Das Konstrukt Baurecht hätte also ein Win-win-Potenzial, doch ist es bei vielen Investoren nicht sonderlich beliebt. Die Hauptgründe liegen zum einen in der oft fehlenden Prognostizierbarkeit von Baurechtszins, Heimfall und Heimfallentschädigung, zum anderen besteht eine äusserst einseitige Risk-Profit-Teilung, ganz nach dem Motto: Die Bank, also der Baurechtsgeber, gewinnt immer, und das praktisch risikolos. In einer ökonomisch-rationalen Welt müsste das Risk-Reward-Profil eigentlich dergestalt austariert sein, dass zwar zwei unterschiedliche Investments zugrunde liegen, insbesondere bezüglich Risiko und Ertrag, jedoch ohne determinierte Präferenz.

Die Problematik des Landwerts

Einer der Hauptgründe für die Abneigung gegen eine Liegenschaft im Baurecht dürfte also in der Heimfallentschädigung liegen. In den meisten bekannten Fällen liegt diese beim Verkehrswert des Gebäudes zum Zeitpunkt des Heimfalls – im besten Fall bei 100 Prozent, weit häufiger jedoch nur bei 80 Prozent oder 60 Prozent davon. Damit stellt sich die Frage, wie man den Verkehrswert oder Marktwert eines Gebäudes ohne Land berechnet. Üblicherweise geht man dazu vom Marktwert der Liegenschaft ohne Baurecht aus und zieht davon den Landwert ab. Der Landwert wiederum berechnet sich durch Rückwärtsrechnung eines virtuellen Neubauprojekts, indem von dessen Marktwert die Erstellungskosten und bestenfalls noch ein Entwicklungsgewinn beziehungsweise eine Risikomarge abgezogen werden. Das verbleibende Residuum stellt nach gängiger Lehre und Praxis den Landwert dar.

Angenommen, an einer Strasse stehen sich in der gleichen Bauzone zwei identische Gebäude mit gleichem Baujahr, gleicher Konstruktion und gleichen Baukosten gegenüber. Das Gebäude rechts der Strasse gehört einem sehr engagierten, unternehmerischen Eigentümer. Die Liegenschaft präsentiert sich entsprechend gepflegt und ist gut vermietet. Auf der linken Seite hingegen herrscht Müssiggang, was sich nicht nur im Erscheinungsbild des Hauses äussert, sondern auch darin, dass hier konstant günstige Mietflächen auf dem Markt sind. Liesse man nun den Marktwert der beiden Liegenschaften schätzen, sähe das Ergebnis wahrscheinlich so aus: rechts der Strasse 200 Millionen Franken, links der Strasse 150 Millionen Franken. Die Planungs- und Baukosten inklusive Baufinanzierung und Entwicklungsgewinn betrugen bei Erstellung für beide Liegenschaften je 150 Millionen Franken. Damit ergibt sich für das rechte Gebäude ein Landwert von 50 Millionen Franken, während die linke Parzelle rechnerisch wertlos ist. Bei einem Baurecht wird der Baurechtsgeber den Erfolg auf der rechten Seite seinem favorablen Grundstück zuschreiben, dank dem der Gebäudebesitzer seinen gewinnbringenden Ertrag erwirtschaftet hat. Auf der linken Seite wird der gleiche Baurechtsgeber wohl kaum seine Wiese als Ursache der Misere ansehen.

Für die Berechnung von Landwerten von Baurechtsliegenschaften nimmt man bisweilen auch den Shortcut, insbesondere bei Interesse an einem tiefen Landwert. Dieser berechnet sich dann auf Basis des Marktwerts der bestehenden Liegenschaft ohne Baurecht unter Abzug der altersentwerteten Baukosten. Jedoch wird so einfach ein prozentualer Anteil des Realwerts des Gebäudes entschädigt, unabhängig von Mietniveau und Performance der Liegenschaft. Die Wertsteigerung ist also einzig und allein dem Land zugeschrieben. Und wenn sich in den nächsten Dekaden die überfällige Produktivitätssteigerung auch in der Bauwirtschaft manifestiert, wird der Landwertanteil dadurch entsprechend noch höher und die Heimfallentschädigung entsprechend geringer sein.

Hier zeigt sich, dass der Baurechtsgeber umso mehr profitiert, je erfolgreicher der Baurechtsnehmer seine Immobilie positioniert und bewirtschaftet. In der Konsequenz wird der Baurechtsnehmer vor allem in den letzten Jahren vor Ablauf und Heimfall des Baurechts keine grossen Anstrengungen mehr unternehmen. Analoges gilt für Baurechtsverträge mit Anpassungen des Landwerts und entsprechend auch des Baurechtszinses während der Laufzeit. Auch hier ist nicht der Baurechtsgeber der Treiber von positiven Entwicklungen, profitiert aber davon, ohne das geringste Risiko zu tragen.

Der Landwert ist also alles andere als klar – und noch weniger dessen rechnerische Ermittlung, die von zahlreichen Annahmen abhängig ist. Ein Gutachterstreit ist somit vorprogrammiert. Böse Zungen sagen, das Beste an einem hundertjährigen Baurecht sei die Tatsache, dass die Unterzeichnenden des Baurechtsvertrags dessen Ende nicht mehr miterleben würden.

Insbesondere aus ökonomischer Perspektive kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass das Land per se keinen inneren Wert hat, sondern vielmehr eine Option darstellt, Erträge zu generieren. Aus dieser Sicht wären (Real-)Optionsmodelle eigentlich eine viel bessere Grundlage zur Wertermittlung. Klar ist aber auch, dass bebaubares Land ein begrenztes Gut ist und sich deshalb immer jemand findet, der dafür einen ansehnlichen Preis bezahlt, insbesondere in Zeiten mit viel Geld und wenig Investitionsmöglichkeiten. Für den konsequenten Ansatz tatsächlicher Marktpreise fehlen in den allermeisten Fällen jedoch ein liquider Markt, statistische Signifikanz sowie die nötige Transparenz. Dabei muss man sich bewusst sein, dass die hohen Landpreise eben auch nur bezahlt werden, wenn damit die Chance auf entsprechende Erträge oder Gewinne verbunden ist.

Beispiel Attisholz

Im Rahmen des Projekts Attisholz im Kanton Solothurn hat die Halter AG entschieden, das Teilareal Attisholz Ost, das in den nächsten Jahren entwickelt wird, zu verkaufen und in Form eines Baurechts wieder zurückzunehmen – sozusagen eine Sale-and-Leasehold-Transaktion (siehe auch «Eine Insel im Landschaftsraum», S. 10). Dieses Vorgehen ermöglicht einerseits, einen Teil des investierten Kapitals wieder freizusetzen, und gewährleistet andererseits die Entwicklung und Umsetzung der ursprünglichen Vision aus einer ganzheitlichen Sicht unter übergeordneten Interessen für das gesamte Areal.

In der Praxis bedeutet die Lösung Baurecht, dass Halter in einem ersten Schritt das Land an einen Investor verkauft, bei gleichzeitigem Einstieg als Baurechtsnehmer dann das Areal wie geplant weiterentwickelt und sukzessive einzelne entwickelte Baufelder an Drittinvestoren veräussert. Halter verkauft also zweimal, zuerst die Stammparzelle und danach die entwickelten Grundstücke im Baurecht. Grund genug, sorgfältig zu überlegen, wie eine solche Transaktion strukturiert werden soll, damit sowohl für den Erwerber der baurechtsgebenden Parzelle (Landeigentümer) als auch für den späteren Erwerber der baurechtsberechtigten Parzelle (Baurechtsnehmer) ein attraktives Investment resultiert – bei gleichzeitiger Wahrung der erwähnten übergeordneten Interessen für das Gesamtareal sowie unter Berücksichtigung der eingangs geschilderten Problematik von Liegenschaften im Baurecht.

Übergeordnetes Ziel ist es, dem Baurechtsgeber ein sicheres, inflationsgeschütztes Investment und dem Baurechtsnehmer die Grundlage für eine erfolgreiche Entwicklung und Transformation des Teilareals mit entsprechender Motivation und Incentivierung für eine nachhaltig positive Entwicklung zu gewähren. Dabei würde auch der inhärente Gedanke des Baurechts berücksichtigt: Der Baurechtsgeber überlässt die Nutzung seines Grundstücks über eine längere Zeitdauer gegen eine angemessene Verzinsung dem Baurechtsnehmer. Weil die Risiken für die Entwicklung und die Nutzung beim Baurechtsnehmer liegen, sollen diesem auch die entsprechenden Erträge anheimfallen, und zwar vollständig und ausschliesslich.

Zur Erreichung dieser Vorgaben dienen im Wesentlichen die folgenden drei Elemente des Baurechtsvertrags: ein vernünftig tiefer Baurechtszins, eine Koppelung des Baurechtszinses an den LIK (Landesindex der Konsumentenpreise) und eine Partizipation an einer allfälligen Wertsteigerung des Grundstücks durch eine Festlegung des Landanteils, indem die Heimfallentschädigung im Baurechtsvertrag auf einen beidseitig akzeptierten Prozentsatz des Marktwerts der Liegenschaft ohne Baurecht festgesetzt wird.

Damit ist der Baurechtsvertrag nicht nur einfach und klar geregelt, sondern schlägt das Ertragspotenzial auch weitgehend der Partei zu, welche die wirtschaftlichen Risiken trägt. Der Baurechtsgeber wiederum hat ein tatsächlich inflationsgeschütztes Immobilieninvestment, bei welchem zudem das Risiko eines Zahlungsausfalls dank dem vergleichsweise tief angesetzten Baurechtszins gegen null minimiert wurde.

Der Baurechtsnehmer bekommt so den nötigen Spielraum, um auch wirtschaftlich schwierige Phasen zu überstehen. Insbesondere aber mit der Partizipation an einer allfälligen Wertsteigerung verfügt dieser Baurechtsvertrag über ein Element, das den Baurechtsnehmer nicht nur tatsächlich incentiviert, bis zum Ende Gas zu geben, sondern das Investment aus dessen Sicht insgesamt attraktiver macht. Dies dürfte nicht nur zu einer besseren Fungibilität der Liegenschaft am Transaktionsmarkt führen, sondern auch bei einer Fremdfinanzierung hilfreich sein.

Dieser Artikel ist im Print-Magazin KOMPLEX 2023 erschienen. Sie können diese und weitere Ausgaben kostenlos hier bestellen.

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