Baukosten auf Knopfdruck
Ein junges Spin-off aus dem Ecosystem der Halter Gruppe hat ein Web-Tool entwickelt, das die Berechnung der Baukosten und CO₂-Emissionen in der Erstellung eines Immobilienprojekts ganz an den Anfang der Planung rückt. Ein Besuch bei Aneecy und seinen drei Gründern in Schlieren.
Im Gewerbehaus JED in Schlieren, dort wo einst die NZZ gedruckt wurde, spriessen neue, unkonventionelle Ideen. Die Halter Gruppe hat in der Nachbarschaft zu einer Boulderhalle, zu einer Event- Location und zum Innovationsdienstleister Zühlke auf rund 5800 Quadratmetern Fläche mit diversen Firmen ein geschäftliches Ecosystem eingerichtet, das an den Groove von Start-ups in Zürich-West erinnert: Co-Working-Spaces, gemeinschaftliche Küchen, Lounges, kreative Stimmung. Der jüngste Spross der Unternehmung heisst Aneecy. Auf der Website der Firma wird ein digitales Tool angeboten, mit dem Bauherren, Architekten oder Investoren mit ein paar wenigen Klicks die Kosten-Benchmarks und die CO₂-Bilanz eines Bauvorhabens berechnen können. Und zwar ganz zu Beginn der Planung.
Die Bedienung der Software ist denkbar einfach und erinnert an Anwendungen aus dem Silicon Valley.
Das Schwierigste ist immer das Weglassen, damit die Nutzer den Fokus auf das Wesentliche legen können
sagt Georg Munkel, Architekt und Technikleiter bei Aneecy. Er sitzt mit den anderen beiden Mitgründern der Firma in einem mit orangem Stoff ausgekleideten Besprechungszimmer und führt durch die mit Zahlenkolonnen und bunten Farbflächen gefüllte Bildschirmoberfläche. Der User startet mit ein paar simplen Angaben zu Lage, Topografie, Grundstücksgrösse, Geschossfläche und Gebäudehöhe. Zudem kann er den Nutzungsmix einer Liegenschaft bestimmen: Er hat die Wahl zwischen Stockwerkeigentum, Mietwohnungen und Büros.
Richtwerte geben Aufschluss über den Projektstand
Die Infos sind generisch. Details zum Standort sind keine nötig, was einen wichtigen Aspekt im Hinblick auf den Datenschutz darstellt. «Wir erarbeiten keine Lösung, sondern eine Aufgabenstellung», meint CEO Nik Grubenmann während der Präsentation. Der Germanist mit wirtschaftlicher Weiterbildung leitete zuvor fünf Jahre lang die Kommunikation der Halter AG. Für Aneecy wechselte er von der Theorie in die Praxis. Ein weiterer Knopfdruck, und das von ihm mitentwickelte Tool spuckt eine erste Analyse aus, inklusive Hauptnutzfläche, Anzahl der Wohnungen und Parkplätze. Wer die Richtwerte kennt, weiss damit sofort, wo eine Projektidee bezüglich Quadratmeterpreis und CO₂-Ausstoss steht – lange bevor es überhaupt einen architektonischen Entwurf gibt.
In einem zweiten Schritt kann der Nutzer die Parameter detailliert verändern und sieht, wie sich seine Gebäudeanpassungen auf Kosten und Emissionen auswirken. Es lassen sich unter anderem der Ausbaustandard, die Wohnungsgrössen oder die Wärmeversorgung verändern. Selbst der Sonnenschutz oder der möglicherweise zum Einsatz kommende Recyclingbeton werden in den Berechnungen berücksichtigt. Zudem kann die Bauherrschaft wählen, ob die Fassade mit Holz, Putz oder einem anderen Material realisiert sein soll. «Wir wollen so funktional wie möglich bleiben», sagt Nik Grubenmann. Aneecy sei kein Entwurfstool, aber der Fassadenaufbau habe nun mal einen grossen Einfluss auf die Kosten sowie die Ökobilanz. Ist alles eingestellt, können die User pro Projektskizze drei Reports erstellen und so Varianten festhalten. Im Baubeschrieb werden alle Angaben im Detail aufgeführt, bis hin zum U-Wert der Fenster. Ab hier sind dann wieder die Fachleute gefragt, die, gestützt auf die online generierten Werte, weiterplanen.
Alles begann mit einer Excel-Tabelle
Nach der Präsentation des Web-Tools zeigt der CO₂- Messer im Sitzungszimmer rot an – es gab viel zu erklären und zu besprechen. Mit dem Öffnen der Glastür nähern sich die Zahlen wieder dem Normalwert. Messung, Bewertung und Korrektur sind auch die Ziele von Aneecy. «Durch die Analyse der Kosten lässt sich ein Projekt steuern», sagt Produktchef Pantelis Argyriou. Der Grieche studierte Bauingenieurwesen in Deutschland. Am Anfang seiner Forschung stand eine einfache Excel-Tabelle, nun ist daraus ein Spinoff gewachsen. Die Daten dahinter stammen aus dem Halter-Netzwerk und von weiteren Partnern. Die Kosten werden bauteilorientiert kalkuliert, ein Vorteil gegenüber Mitbewerbern. Dabei basieren die Preise auf marktaktuellen Grössen. Aneecy verspricht eine Genauigkeit von plus/minus fünf Prozent, was jeder Kunde anhand eines abgeschlossenen Bauprojekts überprüfen kann. «Mit der Präzision der Zahlen steht und fällt die Glaubwürdigkeit des Produkts», bekräftigt Argyriou.
Das Spin-off stellt die gängige Planung ein Stück weit auf den Kopf, weil die Software die Kosten und die CO₂-Bilanz ganz an den Anfang rückt. Das hilft einer Bauherrschaft, fundiert in ein Vorhaben einzusteigen und das Projekt auf ein integriertes Abwicklungsmodell wie Design-Build vorzubereiten. Damit spart sie Zeit und Geld, weil später weniger umgeplant werden muss.
Die Bestellerkompetenz ist zentral. Wer kreislaufgerecht planen will, muss intelligent und datenbasiert bestellen.Nik Grubenmann
Mit dem Tool sehen Bauherren zudem frühzeitig, wo die grossen Baukosten und CO₂-Hebel sind, etwa bei der Fassade, der Grösse der Untergeschosse oder beim Ausbaustandard.
Aneecy richtet sich mit dem Web-Tool an kleine und grosse Bauherrschaften, aber auch an Architekten, die in einem frühen Entwurfsstadium den Rahmen schaffen wollen, in dem sich ein Projekt zu bewegen hat. Statt drei Wochen auf eine Kostenrechnung zu warten, können sie am Tablet einige der ihnen vorliegenden Daten eingeben, und schon haben sie ein erstes Ergebnis. Entsprechend tief sind auch die Einstiegshürden. Eine Projektidee zu berechnen, die einen Monat lang verändert werden kann, kostet rund 500 Franken. Wer mehrere Projekte bearbeitet, erhält einen Mengenrabatt. Ein Abo- Modell gibt es jedoch nicht.
Bisher bietet das Aneecy-Tool die Kosten- Benchmarks und die Erhebung der grauen Energie von Neubauten. Künftig sollen auch Analysen zu Umbauten, Betriebskosten und Betriebsenergie dazukommen. Langfristig angedacht ist zudem, Angebote von Partnern aus der Bauindustrie auf der Plattform zu integrieren. So könnte die digitale Kette, die mit ein paar Mausklicks begonnen hat, in die weitere Planung übergehen. Wenn der Datenfluss auf allen Ebenen möglichst durchgängig funktioniert, hilft dies nicht nur, die Kosten zu senken, sondern auch, die Kreislaufwirtschaft voranzubringen.
Aber erst einmal muss sich das junge Unternehmen Aneecy am Markt behaupten. «Die Bauindustrie reagiert neuen Ansätzen gegenüber meist skeptisch», sagt Georg Munkel. «Doch die ersten Nutzer waren verblüfft ob der Einfachheit unseres Tools.» Die Zeichen stehen also gut, dass das Spinoff von Schlieren aus in der Branche neue Impulse setzen wird und sie so ein Stück digitaler, kostengenauer und klimaschonender macht.
Aneecy
entstand im Jahr 2020 innerhalb der Halter AG. Was mit einer Excel-Tabelle für Kostenberechnungen begann, wurde intern weiterentwickelt zu einem umfangreichen Tool für die Baukostenberechnung und die CO₂-Bilanzierung. Ende 2022 mündete die Geschäftsidee in ein Spinoff. Seit 2023 ist Aneecy mit Sitz in Schlieren am Markt verfügbar, um Projektskizzen für Neubauten zu berechnen. 2024 sollen auch Kosten-Benchmarks für Umbauten und Sanierungen verfügbar sein und die Betriebskosten sowie die Betriebsenergie mitberücksichtigt werden.
→ aneecy.ch